Frostglut
helfen.«
»Nein, das wird es nicht«, stimmte Linus zu. »Schön zu sehen, dass du in schwierigen Situationen immer noch einen kühlen Kopf bewahrst, Aurora.«
Metis verzog das Gesicht, nickte aber gleichzeitig, um das schwache Kompliment anzunehmen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie Linus kein bisschen mehr mochte, als Nickamedes es tat. Ich fragte mich, woran das lag. Was war zwischen ihnen geschehen, und hatte es etwas mit meiner Mom zu tun?
»Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass du einen riesigen Fehler begehst«, erklärte Metis. »Gwen arbeitet nicht mit den Schnittern zusammen, und sie hat Loki sicherlich nicht absichtlich befreit.«
»Ja, genau dieses absichtlich macht mir am meisten Sorgen«, murmelte Linus. »Und genau diese Frage will ich ergründen.«
Er wollte zu mir gehen, aber Metis stellte sich ihm in den Weg.
»Du marschierst heute Morgen in mein Büro, ohne eine Vorwarnung, dass du nach Mythos kommen wirst. Dann verkündest du, dass du hier bist, um eine unserer Schülerinnen zu verhaften, weil du ihr vorwirfst, sich mit den Schnittern verschworen zu haben«, sagte sie mit in die Hüfte gestemmten Händen. »Du verrätst mir nicht, um welche meiner Schülerinnen es sich handelt, sondern lässt es mich und die anderen erst bei der Versammlung herausfinden, zum gleichen Zeitpunkt wie alle Schüler.«
»Und?«, fragte Linus. »All das liegt innerhalb meiner Befugnisse als Leiter des Protektorats. Das weißt du genau, Aurora. Und zu der Frage, warum ich dir nicht verraten habe, um welche Schülerin es sich handelt, kann ich nur sagen: Mir ist zu Ohren gekommen, dass du Miss Frost … ins Herz geschlossen hast. Ich wollte nicht, dass du etwas Dummes tust, wie sie zu warnen und ihr so die Chance zu geben, sich dem Gesetz zu entziehen.«
Metis’ gesamter Körper versteifte sich. Es dauerte sogar einen Moment, bis sie ihre knirschenden Zähne wieder voneinander lösen konnte. »Ich will Antworten«, blaffte sie. »Wer hat die Anschuldigungen gegen Gwen erhoben? Warum? Welche Beweise haben diese Personen?«
»Das wirst du noch früh genug herausfinden«, sagte Linus. »Und jetzt würde ich gerne dem Mädchen alles erklären, wenn es dir nichts ausmacht. Damit sie in der Zwischenzeit nicht noch mehr Ärger verursacht.«
Metis öffnete den Mund, als wollte sie weiterdiskutieren, doch nach einer Sekunde presste sie die Lippen aufeinander und trat zur Seite. Sie konnte nichts tun oder sagen, was Linus’ Meinung ändern würde. Das wusste ich genauso gut wie sie.
Linus ging zum Tisch, gefolgt von den anderen. Nur Raven blieb neben der Tür sitzen und las weiter in ihrem Heft. Ab und zu hob sie den Kopf und sah in unsere Richtung, als fragte sie sich, ob das Drama hier im Raum wohl mit ihrem Klatschmagazin konkurrieren konnte.
Linus setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl. Sergei, Inari und Alexei stellten sich hinter ihm auf, während Metis, Nickamedes und Ajax auf meine Seite des Tisches kamen und sich rechts von mir aufbauten. Linus zog eine Lesebrille aus seiner Hemdtasche. Er setzte sie auf, dann griff er in die Falten seiner grauen Robe. Dieses Mal zog er eine weiße Pergamentrolle hervor, die er aufrollte und zwischen uns auf den Tisch legte.
»Gwendolyn Cassandra Frost«, las er ab. »Sie werden hiermit mehrerer Verbrechen gegen das Pantheon beschuldigt, unter anderem, aber nicht ausschließlich, sich mit anderen Schnittern des Chaos verschworen zu haben, um im Kreios-Kolosseum Ihre Mitschüler zu töten, sich mit dem Helheim-Dolch vom Akademiegelände entfernt zu haben und, am bedeutendsten, besagten Dolch eingesetzt zu haben, um Loki aus Helheim zu befreien. Wie bekennen Sie sich in Bezug auf diese Anklagepunkte?«
Für einen Moment fand ich keine Worte. Es war, als hätte mir eine Walküre in den Magen geschlagen, bis mir die Luft wegblieb. Mein Mund öffnete und schloss sich, dann öffnete und schloss er sich wieder. Doch kein einziges Wort drang über meine Lippen. Ich hatte keines dieser schrecklichen Dinge getan – nicht ein einziges.
Sicher, ich war im Kolosseum gewesen – aber nur, weil ich versucht hatte, meine Hausaufgaben für Metis’ Mythengeschichte-Kurs zu erledigen. Alles Folgende war das Werk von Vivian Holler gewesen, einer anderen Schülerin im zweiten Jahr. Die Gypsy, die Lokis Champion war. Das Mädchen, das meine Mom ermordet hatte.
Ich hatte keine Ahnung, wo Vivian sich im Moment befand. In der Nacht, als sie Loki befreit hatte, war sie mit ihm
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