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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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vollkommen schwarz, als würde absolute Dunkelheit mich umhüllen – als wäre ich bereits kalt, tot und begraben. Ich blinzelte, und das Licht kehrte zurück. Alles wurde wieder klar, aber irgendwie sah ich alles schärfer als vorher, nahm alles deutlicher wahr. Der harte, unnachgiebige Stein des Stuhls, der sich in meinen Rücken grub. Das unheilvolle Schimmern der Metallkette und der Handschellen auf dem Tisch. Der leicht muffige Geruch, der das Gefängnis immer erfüllte. All das und mehr stürmte auf meine Sinne ein, traf nacheinander mein Hirn, obwohl all diese Wahrnehmungen schnell vom wilden Schlagen meines Herzens übertönt wurden.
    Ich wünschte mir nichts mehr, als aus dem Stuhl aufzuspringen, zur Tür zu laufen, sie aufzureißen und zu rennen, zu rennen und rennen, bis meine Lunge von der Anstrengung explodierte. Aber das konnte ich nicht. Nicht, ohne alles noch viel schlimmer zu machen. Also zwang ich mich, still zu sitzen und einfach zu atmen – ein und aus, ein und aus –, genau wie meine Mom es mir beigebracht hatte, damit ich es immer tat, wenn ich verängstigt, aufgeregt oder besorgt war. Im Moment stand ich kurz vor der Panik – okay, purem Terror –, aber ich zwang mich trotzdem, einfach ruhig zu atmen.
    Langsam verblasste die Panik, auch wenn Sorge und Angst immer noch an meinem Herzen nagten wie Ratten an einem Stück Käse. Schließlich sah ich die anderen an. Metis wirkte krank und geschlagen, während Nickamedes’ Wangen vor Wut brannten. Ajax stand mit steifen Schultern da und hatte die Hände zu Fäusten geballt, während seine dunkle Haut im Licht glänzte. Selbst Sergei, Inari und Alexei warfen mir inzwischen mitfühlende Blicke zu. Nur Linus blieb ruhig und gefühllos, und seine ausdruckslose Miene verriet nichts über seine wahren Gedanken.
    »Ich habe nichts Falsches getan«, sagte ich, jetzt viel leiser. »Ich habe nichts Falsches getan.«
    »Das wird noch entschieden«, erklärte Linus. »Sei versichert, dass wir sorgfältig ermitteln werden und Sie einen fairen Prozess bekommen werden.«
    »Genau«, sagte ich. Ich konnte nichts gegen den Sarkasmus in meiner Stimme tun. »Weil es ja so unglaublich fair war, mich auf diese Bühne im Amphitheater zu schleppen und meine angeblichen Verbrechen der gesamten verdammten Schule zu verkünden.«
    Nickamedes packte meine Schulter fester, um mich daran zu erinnern, dass ich den Mund halten sollte. Aber die Angst, der Schock und die Panik in mir verklangen schnell und ließen mich einfach nur wütend zurück. Ich hieß diese Wut willkommen, sammelte sie um mich und ließ sie heiß in meinem Herzen kochen, bis alles andere ausgebrannt war. Solange ich wütend war, konnte ich nicht darüber nachdenken, wie schlimm die Situation aussah oder wie dicht ich davorstand, alles zu verlieren, was mir in den letzten Monaten auf Mythos wichtig geworden war – inklusive meines Lebens.
    Bei meinen Worten kniff Linus die Augen zusammen, aber seine Miene blieb ruhig. »Obwohl ich persönlich dagegen bin, besagen die Statuten der Akademie, dass Sie auf Mythos verbleiben können. Sie werden weiterhin Ihre Kurse und anderen Schulaktivitäten besuchen, bis die Ermittlung und der Prozess abgeschlossen sind und eine Entscheidung über Ihre Schuld oder Unschuld gefällt wurde.«
    Die Enge in meiner Brust lockerte sich ein wenig. Zumindest würde ich immer noch bei Logan, Daphne und meinen anderen Freunden auf der Akademie sein, ganz zu schweigen von Metis, Ajax und Nickamedes. Zusammen würden wir einen Weg finden, mich aus diesem Schlamassel rauszuholen. Ich wusste, dass wir das schaffen konnten. Wir hatten alles überlebt, was die Schnitter uns bis jetzt serviert hatten. Das hier würden wir auch überleben.
    »Aber Ihre Bewegungsfreiheit wird auf den Campus beschränkt, und man wird Sie zu jeder Zeit beobachten und überwachen«, fuhr Linus fort. »Um die Irritationen für die anderen Schüler auf ein Minimum zu begrenzen, wird tagsüber Alexei für Sie verantwortlich sein. Er wird Sie auf dem Campus überallhin begleiten – in den Unterricht, in den Speisesaal, die Bibliothek … an jeden Ort.«
    Also würde man nicht nur gegen mich ermitteln und mich vor Gericht stellen, sondern mir auch einen persönlichen Schatten anhängen. Tatsächlich stellte ich ihn mir mehr vor wie einen Spion, der jede meiner Bewegungen ans Protektorat meldete und mir noch mehr Ärger machte, wenn ich es wagte, im Unterricht Kaugummi zu kauen oder quer über die Wiese zu

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