Frostglut
dass wir dieser Sache auf den Grund gehen und Loki erneut einsperren werden.«
Linus verzog für einen Moment angewidert die Lippen, dann sah er zu Metis, die trotzig das Kinn vorschob. »Für den Moment wird Miss Frost, in Übereinstimmung mit den Statuten der Akademie, auf Mythos verbleiben, bis sie entweder entlastet oder in den vielen gegen sie vorgebrachten Anklagepunkten schuldig gesprochen wird.«
Bei seinen Worten erhob sich ein Sturm von Buhrufen, der ihn zwang, für einen Moment zu schweigen.
Wieder sah Linus zu Metis, als wäre das alles ihre Schuld. Damit gab er mir einen Hinweis darauf, was geschehen war. Die Professorin musste herausgefunden haben, was vor sich ging, und hatte es irgendwie geschafft, mich hier auf der Akademie zu behalten, statt zuzulassen, dass man mich wegschleppte und in irgendein Protektoratsgefängnis sperrte.
Sie hätte sich die Mühe sparen können. Alle hassten mich jetzt, weil sie glaubten zu wissen, was ich getan hatte – und vielleicht lagen sie damit nicht einmal falsch. Schließlich war ich diejenige gewesen, die den Helheim-Dolch gefunden hatte, das letzte verbleibende Siegel von Lokis Gefängnis. Doch statt den Dolch sicher zu verwahren, hatte ich ihn Vivian Holler praktisch in die Hand gedrückt, dem Schnittermädchen, das Lokis Champion war. Nur zu gern hatte sie die Waffe und mein Blut dazu verwendet, endlich den bösartigen Gott zu befreien. Sicher, Vivian hatte mich überlistet, aber es blieb die Tatsache bestehen, dass meine Handlungen dafür gesorgt hatten, dass Loki irgendwo dort draußen mit seinen Schnittern Pläne schmiedete, um das Pantheon zu vernichten, um endlich Nike zu besiegen und die Welt in unendliche Dunkelheit zu stürzen.
Vielleicht hatten sie alle recht damit, mir die Schuld zu geben.
Vielleicht hatten sie recht damit, mich zu hassen.
Endlich, nach mehreren Minuten, beruhigte sich die Menge wieder.
»Miss Frost ist noch nicht schuldig gesprochen, doch damit die Schülerschaft sich sicher fühlen kann, habe ich dafür gesorgt, dass sie während der Zeit bis zu ihrem Prozess scharf bewacht wird, während sie ihrer täglichen Schulroutine nachgeht«, sagte Linus. »Seien Sie versichert, dass ein Mitglied des Protektorats Miss Frost überallhin begleiten wird. Um das Ganze so unauffällig wie möglich zu gestalten, haben wir einen Schüler des dritten Jahres von der Akademie in London für diese Aufgabe angeworben.«
Linus warf einen kurzen Blick zu Alexei, der vor den Stufen zur Bühne stand, doch er stellte den Jugendlichen nicht vor. Deswegen war Alexei also hier.
»Diese ganze Angelegenheit wird in ein paar Tagen aufgeklärt sein«, fuhr Linus fort. »Bis dahin möchte ich euch versichern, dass die Mitglieder des Protektorats hier auf dem Campus sind, um allen Sicherheit zu garantieren. Das wäre alles.«
Ein paar Leute klatschten höflich, aber die meisten starrten mich weiterhin böse an, während sich in ihren Blicken Entsetzen, Schmerz, Angst oder Hass widerspiegelten – so viel Hass. Wieder traf mich die gesammelte Wut der Menge, und ich konnte einfach nicht länger schweigen.
»Ich habe nichts falsch gemacht!«, schrie ich. »Es war Vivian! Es war Vivian Holler! Sie ist Lokis Champion! Sie hat den bösen Gott befreit, nicht ich! Ihr müsst mir glauben!«
»Schafft sie hier weg«, zischte Linus. »Jetzt!«
Inari und Sergei hoben mich mühelos hoch und trugen mich zum Rand der Bühne, aber ich schrie die ganze Zeit weiter.
»Ich habe nichts falsch gemacht! Ich habe nichts falsch gemacht!«
Meine Rufe hallten durch das Amphitheater und von dort in den Himmel, aber meine Unschuldsbeteuerungen interessierten niemanden, und niemand eilte mir zu Hilfe – nicht einmal die Göttin, die mich als ihren Champion erwählt hatte.
Inari und Sergei schleppten mich von der Bühne, aus dem Amphitheater und den Hügel hinauf zum oberen Hof. Schüler eilten hinter uns her. Alle redeten, schrien und schossen mit ihren Handys Fotos von mir. Letztendlich verstummten meine Schreie, und ich konnte nur noch die Augen gegen das ständige Blitzen zusammenkneifen. Inari und Sergei trugen mich immer noch, also berührten meine Füße nicht einmal den Boden. Ich war klug genug, mich nicht zu wehren. Ich wusste nicht, zu welcher Art von Kriegern die beiden Männer gehörten. Aber sie waren auf jeden Fall stärker als ich.
Fünf Gebäude bildeten den Hauptbereich von Mythos – die Bibliothek der Altertümer, die Sporthalle, der Speisesaal, das
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