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Frostglut

Frostglut

Titel: Frostglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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werden würde.
    Alexei warf mir einen wachsamen Blick zu. Wahrscheinlich dachte er, ich wäre vollkommen durchgeknallt und dem Wahnsinn verfallen, weil ich schon wieder mit einer Statue redete. Ich ignorierte ihn und ging in den Hauptraum der Bibliothek. Sobald ich zwischen den Regalen hervortrat, richteten sich alle Augen auf mich, und die Schüler an den Tischen steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Ich nahm die Schultern zurück, hob das Kinn und tat so, als würde ich sie nicht einmal sehen, geschweige denn bemerken, dass sie über mich lästerten und simsten.
    »Ich kann nicht glauben, dass sie hier wirklich auftaucht.«
    »Was denkt sie sich dabei?«
    »Weiß sie denn nicht, dass alle sie hassen?«
    Der letzte Kommentar entlockte mir ein Schnauben. O doch. Ich wusste genau, wie sehr mich alle hassten. Immerhin hatten meine Mitschüler mir das den ganzen Tag über unmissverständlich klargemacht.
    Ich trat hinter den langen Ausleihtresen, der den Bürobereich der Bibliothek vom Schülerbereich trennte, und setzte mich an meinen üblichen Platz. Dann drehte ich mich zu Alexei um und deutete auf einen Stuhl am Ende des Tresens.
    »Du kannst dich da hinsetzen«, sagte ich. »Das ist sicher gemütlicher, als die ganze Zeit zu stehen, während ich arbeite.«
    Doch statt zu dem Stuhl zu gehen, verschränkte der Bogatyr die Arme vor der Brust und baute sich neben einer der Glastüren auf, die zu den Büros der Bibliothekare führten. Definitiv ein schweigsamer, sturer Schatten. Egal. Ich hatte es immerhin versucht.
    Ich drehte meinen Stuhl zum Tresen und verdrängte den Bogatyr aus meinen Gedanken. Ein paar Sekunden später öffnete sich hinter mir quietschend eine Tür, und Nickamedes verließ den Bürobereich. Der Bibliothekar sah mich an, sah weg und riss den Kopf wieder herum, als wäre er überrascht, mich zu sehen.
    »Gwendolyn? Was machst du hier?« Er sah auf die Uhr. »Es ist noch nicht einmal fünf. Du bist zu früh dran. Du kommst nie zu früh.«
    Ich biss mir auf die Zunge, um ihn nicht anzublaffen. Ich tauchte tatsächlich nicht immer ganz rechtzeitig zu meinen Bibliotheksschichten auf. Okay, okay, ich kam sogar meistens zu spät, aber nur, weil ich mich vom Akademiegelände schlich, um Grandma Frost zu besuchen.
    »Nicht ein einziges Mal in all den Monaten, die du nun hier arbeitest, warst du zu früh dran. Manchmal bist du pünktlich gekommen. Sonst eigentlich immer zu spät. Aber niemals zu früh .« Nickamedes kniff die Augen zusammen. »Was führst du im Schilde?«
    Ich biss die Zähne zusammen. Selbst wenn ich das Richtige tat, machte er mir eine Szene. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Bibliothekar und ich vom Schicksal dazu bestimmt waren, in allem verschiedene Meinungen zu vertreten.
    »Ich dachte, Sie könnten heute ein wenig mehr Hilfe gebrauchen«, sagte ich durch die zusammengebissenen Zähne. »Aber wenn Sie mich hier nicht wollen, kann ich auch wieder gehen und später zurückkommen. Viel später, so wie normalerweise. Vielleicht so spät, dass ich vor morgen gar nicht auftauche.«
    Der Bibliothekar runzelte die Stirn. »Nun, wenn du heute früher zur Arbeit kommen willst, nehme ich an, dass ich es als Ausgleich für eines der Male werten kann, als du zu spät gekommen bist. Aber nur für eines. Ich führe Buch, weißt du?«
    Natürlich tat er das. Nickamedes war wirklich so ein besessener Kontrollfreak. Trotz der Tatsache, dass es noch andere Bibliothekare gab, war Nickamedes fast immer hier und arbeitete. Ich fragte mich, ob er sich je einen Tag freinahm. Aber ich bezweifelte es. Schließlich könnte ja jemand ein Buch ins falsche Regal zurückstellen, wenn er nicht hier war und auf alle aufpasste.
    Nickamedes’ Stimme klang genauso höhnisch wie meine, doch nach einem Moment wurde seine Miene etwas weicher. »Falls dir irgendwelche Schüler heute Abend Probleme machen, hol mich bitte sofort. Hast du verstanden?«
    Ich nickte. Ich wusste genau, welche Art von Problemen er meinte – die Art, die inzwischen eigentlich jeder mit mir hatte.
    »Und du.« Er bedachte Alexei mit einem strengen Blick. »Deine Aufgabe ist es, Gwendolyn zu beschützen. Ich würde vorschlagen, dass du genau das tust, statt einfach wie ein Stein herumzustehen, wie du es bisher getan hast. Nicht nur das Protektorat hat Augen und Ohren auf dem Campus.«
    Alexei wurde ein wenig rot. »Ich tue nur, was mir vom Protektorat befohlen wurde.«
    Nickamedes zog eine schwarze Augenbraue hoch. »Wirklich? Ich dachte,

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