Frostherz
mit den Lehrern bisher überflüssig gewesen. Auch Rosen wirkte sehr reserviert. Nur Cornelius grinste.
»Wow, cooler Schuppen.« Den schien gar nichts zu verunsichern.
»Mein Sohn Cornelius«, stellte sein Vater ihn vor. Johann nickte ihm zu.
»Cornelius und ich haben einige Kurse zusammen«, erklärte Anne.
»Nun, dann folgen Sie mir hinein«, antwortete Johann.
»Ein sehr schöner Garten«, hörte Anne Hermann Rosen hinter sich sagen. »Sehr groß.« Der Lehrer war an dem hüfthohen Zaun stehen geblieben, der den Garten von der Einfahrt trennte. Johann ging einfach weiter.
»Allerdings«, sagte Anne. »Ich habe dort früher immer gerne gespielt.« Rosen lächelte verbindlich und schloss zu Johann auf, der gerade die Haustür öffnete. Der wirkte steif, fast verstört, als müsse er sich sehr überwinden, die Villa zu betreten.
»Warum ziehen Sie eigentlich nicht selbst hier ein?«, fragte Rosen.
»Viel zu groß für uns zwei«, sagte Johann.
»Na ja, stimmt«, überlegte Rosen laut. »Und wenn man bedenkt, dass Ihre Tochter ja sicher auch in ein, zwei Jahren von daheim ausziehen wird… außer, Sie verlegen Ihre Kanzlei hierher. Aber was rede ich – ich will Sie ja davon überzeugen, mir das Haus zu verkaufen.« Er lachte meckernd, fast wie eine Bergziege.
Anne war es peinlich, dass es im Haus noch immer muffig roch. Aber Rosen ließ sich nichts anmerken. Interessiert folgten Vater und Sohn Anne und Johann durch die Räume: Die geräumige Küche mit den großen schwarz-weißen Fliesen auf dem Boden und dem locker 40 Jahre alten Mobiliar darin, das kleine Bad mit Dusche und Toilette daneben. Das große Wohnzimmer mit Kamin, das in ein Esszimmer überging, von dem man auf die Terrasse und in den Garten gelangen konnte.
»Von der Küche führt auch noch eine Tür in den Garten«, erklärte Anne. Ihr Vater war völlig verstummt, seit sie hier drin waren. Rosen murmelte die ganze Zeit so etwas wie »sehr schön, sehr schön« und ging aufmerksam durch das Wohnzimmer. Er besah sich das Mobiliar ganz genau, fuhr mit dem Finger über das Holz des Eichenschrankes.
»Ist natürlich alles ziemlich alt«, sagte Anne bescheiden und schnell wandte sie den Blick von dem dunklen Fleck auf dem Teppich ab. Cornelius erhob sich aus dem senfgelben Sofa, in das er sich gerade erst hatte fallen lassen.
»Aber wenn das ganze Zeug rausfliegt, kann man hier eine richtig geile Bude einrichten«, sagte er. Anne warf ihm einen bösen Blick zu, aber Rosen grinste nur.
»Allerdings«, stimmte er seinem Sohn zu. »Man müsste vorher aber die Heizungen modernisieren, die Fenster, eventuell die Böden erneuern. Und wer weiß, wie es um die Rohrleitungen steht… da kommt ein ordentliches Sümmchen zusammen. Wann wurde das Haus gebaut?«
»1927«, sagte Johann. Er drehte sich vom Fenster fort, durch das er gerade in den Garten gestarrt hatte, wo weiße Fliederblüten wie eine dünne Decke lagen.
»Sie sind hier aufgewachsen, oder?«
»Ja«, antwortete Johann. Anne war es peinlich, dass ihr Vater so verschlossen war.
»Wollen wir noch nach oben gehen?«, fragte sie und lächelte alle höflich an, sogar Cornelius.
Im ersten Stock waren ein weiteres Bad, zwei Schlafzimmer und ein Gästezimmer untergebracht, außerdem ging es über eine schmale Stiege ins Dach, wo erstaunlich wenig Gerümpel herumlag. Das Auffallendste war ein alter Billardtisch, der in der Mitte des Raumes thronte.
»Jetzt noch der Keller und dann reicht es fürs Erste«, sagte Rosen und wischte sich seine staubigen Finger an seiner dunkelblauen Hose ab. Keine gute Idee.
Anne spürte Cornelius’ Atem in ihrem Nacken, als sie hinabstiegen. Aber es lag nicht nur daran, dass sie zu frösteln anfing. Natürlich hatte sie sich, wie alle Kinder, als sie noch klein war, vor dem Keller gefürchtet. Doch hier hatte sich das beklemmende Gefühl auch mit dem Alter nicht gelegt. Die Stufen hinunter waren schmal, die Luft wurde sofort kühl und feucht und modrig. An dem Gang, von unverputzten ziegelroten Backsteinen gesäumt, lagen drei Türen. Eine führte in den Wasch- und Vorratskeller, eine zum Heizungskeller und die dritte war schon immer abgeschlossen gewesen. Anne hatte als Kind ihre Großmutter und ihren Vater angefleht, einmal hineinschauen zu dürfen, vergebens. Cornelius rüttelte an der Klinke.
»Da sind nur Rohrleitungen dahinter«, sagte ihr Vater und die Antwort hallte in ihren Ohren wider. Wie oft hatte sie die gehört. »Ich weiß auch gar nicht, wo der
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