Frostherz
Schlüssel dazu ist«, erklärte er weiter. Cornelius warf Anne einen fragenden Blick zu. Sie wich ihm aus. Johann deutete mit der Hand die Treppenstufen hinauf, kurz darauf standen sie wieder im Sonnenschein vor dem Haus.
»Sehr schön«, fasste Rosen seinen Eindruck noch einmal zusammen. »Ich hätte schon Interesse. Ein paar Umbauten im Erdgeschoss und dann wäre das Haus für meine Frau perfekt. Wir Männer könnten uns dann das obere Stockwerk teilen, nicht wahr, Sohn?« Er schlug Cornelius leicht mit der Hand gegen den Bauch.
»Ich muss mir das gut überlegen«, wiegelte Johann ab. »Es ist schließlich mein Elternhaus, so leicht trennt man sich da nicht.«
Rosen nickte verständnisvoll. »Lassen Sie mich wissen, wann Sie so weit sind. Über den Preis können wir uns bestimmt einigen.«
»Unter 750.000 brauchen Sie allerdings nicht anfangen«, sagte Johann schnell.
Rosen verzog unzufrieden den Mund. »Da reden wir noch.«
Cornelius hatte Anne, während die Männer sprachen, die ganze Zeit angestarrt. Er hatte gelächelt, gegrinst, die Augen gerollt – es sah aus, als wolle er sie unbedingt zum Lachen bringen. Es war ihm nicht gelungen. Ohne den Blick von ihr zu wenden, sagte er nun: »Ach, Herr Jänisch…«
Anne sog laut Luft ein. Was kam jetzt?
»Anne und ich wollten heute Abend ins Kino gehen. Sie haben doch nichts dagegen, oder? Ich hole sie um 19 Uhr ab und bringe sie auch wieder nach Hause.« Anne wurde knallrot. Sie war wieder einmal fassungslos, wie erwachsen Cornelius klang. Ja, klar, er war erwachsen. Volljährig. Aber er sprach zu ihrem Vater, als seien sie ebenbürtig. Als hätte er nicht die geringsten Zweifel, eine Abfuhr zu kassieren. Johann sah auf den Bürgersteig, dann über Rosens Auto und schließlich zu Cornelius.
»Gerne«, sagte er und Anne glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Würde er sie tatsächlich ins Kino gehen lassen?
Nicht einmal als Anne die seidige, beinah durchsichtige Bluse in Türkis, Lila und Hellblau anzog, gebot er ihr Einhalt. Das Einzige, was er sagte, war: »Mach noch einen Knopf mehr zu.« Anne hatte die Bluse einmal heimlich bestellt, ohne sie ihm zu zeigen. Sie hatte auf Geld zurückgegriffen, das sie zum Geburtstag bekommen hatte, und die Bluse per Nachnahme bestellt. Das war zwar teurer gewesen, aber so hatte Johann nichts mitbekommen. Seit gut einem halben Jahr hatte die Bluse versteckt im Schrank gelegen und nur an Sonntagmorgenden, wenn er noch schlief und die Kameras ausgeschaltet waren, hatte sie sie im abgeschlossenem Badezimmer gelegentlich übergezogen.
»Wo hast du die eigentlich her?«, fragte er aber nun doch und Anne ratterte wie auswendig gelernt: »Von Oma. Das heißt, Hedi hat sie Oma für mich gegeben und die hat sie dann mir gegeben.«
Er nickte und wischte über ihre Wange. »So viel Rouge sieht affig aus«, mahnte er.
Es war nur ihre Gesichtsfarbe, gerötet vor Aufregung. Sie durfte heute mit Cornelius ins Kino gehen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Nicht einmal eine Ermahnung hatte er ausgesprochen.
Pünktlich um sieben läutete Cornelius. Johann musterte irritiert die lila Leggings, die der junge Mann nun zu seinem dunkelblauen Jackett und dem Totenkopf-T-Shirt trug.
»Elf Uhr bist du wieder da«, sagte er und küsste Anne auf die Wange. Sie nickte, hängte sich, ohne zu überlegen, bei Cornelius ein und sie zogen los. Vor Aufregung schwieg sie die ersten fünf Minuten.
Erst als der Bus losfuhr, sagte sie leise: »Ich kann es gar nicht fassen. Ich fahr ins Kino. Mit einem Jungen. Unglaublich.« Cornelius grinste und sie sah, wie er sich bemühte, einen mitleidigen Ausdruck zu vermeiden.
»Wird aber auch Zeit. Woher der plötzliche Gesinnungswandel?«
Anne schob die Unterlippe vor. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht rafft er ja doch, dass ich in knapp einem halben Jahr volljährig bin. Jedenfalls…«
Sie schwieg. Sah ihn von der Seite an. »Jedenfalls danke, dass du ihn gefragt hast.«
»Gern geschehen!«
Anne protestierte nicht einmal, als Cornelius vom Getränkestand mit einem Bier für sich und einem kleinen Fläschchen Sekt für sie ankam. An Weihnachten, Silvester und an ihrem Geburtstag hatte sie das prickelnde Zeug schon getrunken, ansonsten natürlich nicht. Vor lauter Aufregung hatte Anne nicht einmal gefragt, welchen Film sie anschauen würden.
»David Lynchs Eraserhead von 1977«, sagte Cornelius strahlend. »Wird nur noch selten wo gezeigt.«
»Den wollte ich schon immer mal sehen!« Und dann setzte sie
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