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Frostherz

Frostherz

Titel: Frostherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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laufen«. Er ließ sich auf einen freien Platz schräg hinter Anne sinken.
    »Na, da haben Sie ja jetzt einen ordentlich gelüfteten Kopf und können uns gleich etwas über Eukaryoten, Nukleotide und die Translation erzählen.« Brunners Lippen spannten sich beim Versuch eines Lächelns so sehr, dass Anne, vor der er sich aufgebaut hatte, kleine weiße Hautschüppchen abstehen sah. Cornelius fingerte hilflos an seinem Buch herum und Brunner begann eine Wanderschaft durch das Klassenzimmer. Er hatte Geduld. Cornelius schwitzte, wie Anne mit einem kurzen Seitenblick feststellte.
    »Ihr Vater wird sich freuen, wenn Ihre schulischen Leistungen sich trotz Sitzenbleibens um keine Dezimalstelle verbessert haben«, sagte Brunner und federte auf den Fersen.
    »Zelle mit Zellkern«, wisperte Anne Cornelius zu. Brunner hatte kurz zum Fenster hinausgesehen.
    »Eukaryoten sind Zellen.« Cornelius nuschelte ein wenig.
    »Wie bitte?«, rief Brunner viel zu laut.
    »Eukaryoten sind Zellen, die einen Zellkern aufweisen«, wiederholte er. Anne hatte inzwischen ihr Buch aufgeschlagen und so weit in seine Richtung geschoben, dass er hoffentlich hineinschauen konnte. Unauffällig legte sie ihren Zeigefinger auf die Begriffsdefinition.
    »Und was ist deren Besonderheit?« Brunner klang mehr als gereizt. Cornelius fixierte das Buch. Anne tippte auf das Wort »Proteinbiosynthese«. Brunner blieb hinter Cornelius stehen, während dieser antwortete.
    »Die Eukaryoten können Proteine herstellen.« Es klang beinahe wie eine Frage.
    »Im Gegensatz zu…?«
    Die ganze Klasse wand sich unter der peinlichen Befragung ihres Mitschülers. Auch wenn sie Cornelius vielleicht nicht mochten, litten sie aus Solidarität mit. Keiner konnte so unbeliebt sein, dass man ihm Brunners gnadenlose Verhöre wünschte.
    »Prokaryoten«, zischte Anne.
    »Das habe ich gehört«, brüllte nun Brunner. »Und jetzt reicht es mir! Sie zwei – Cornelius Rosen und Anne Jänisch – leisten heute nach der Schule zwei Stunden im Schulgarten ab. Das gibt’s doch gar nicht! Der eine weiß nichts, die andere sagt vor! Das ist doch der Gipfel!«
    Mit schnellem Schritt ging er in Richtung Tafel und ignorierte Anne und Cornelius bis zum Ende des Unterrichts.
    Als der Gong läutete, hatte Cornelius so schnell sein Zeug zusammengepackt, dass er sofort zu Anne hinüberhuschen konnte.
    »Es tut mir so leid!«, sagte er zerknirscht und sie musste einen Moment den Impuls unterdrücken, ihm durchs Haar zu fahren. Armer schwarzer Kater.
    »Ist schon gut«, antwortete sie. »Er ist einfach ein Depp. Das einzige Problem ist nur, wie erkläre ich meinem Vater die Strafstunden?«
    »Na, indem du ihm sagst, dass es eine Strafstunde ist?«
    »Bist du verrückt?« Anne rammte das Biobuch in ihren Rucksack. »Der rastet aus, wenn er hört, dass ich eine Strafe bekommen habe. Das gab es noch nie!«
    »Dann wird’s ja höchste Zeit.«
    »Das sagst du.«
    »Dann sag doch einfach, du hast eine Sonder-Chorprobe, jetzt, wo das Konzert bevorsteht.« Anne sah ihn einen Moment verblüfft an. Genau, das war die Idee.
    Sie hatte ihn nach dem Mittagessen angerufen und berichtet, von Derking habe ihr soeben eröffnet, dass für heute Nachmittag kurzfristig eine Probe angesetzt worden sei. Nach etwas Zögern hatte er zugestimmt. Wenn es ums Singen ging, war er immer großzügig, denn die Stimme seiner Tochter erfüllte ihn mit Stolz, wie er nicht müde wurde zu betonen.
    »Ich hole dich dann um halb fünf direkt an der Schule ab«, sagte er. »Pass auf dich auf, Schatz!« Erleichtert ging Anne mit Cornelius zum Schulgarten, wo Brunner schon wartete.
    Mit pompösen Reden hatte der Lehrer vor knapp zwei Jahren die Schüler in die Pflicht genommen, mit ihm gemeinsam einen knapp 400 Quadratmeter großen Schulgarten anzulegen. Naturnah, natürlich. Mit selbst gezogenen Pflänzchen, dem Wunder des Lebens ganz nah. Nichts Gekauftes, alles selbst gemacht. Weidenruten hatten sie zu Zäunen geflochten oder als Kletterhilfen in die Erde getrieben, keinen Schrott aus dem Baumarkt. An sich war das ja auch keine schlechte Idee gewesen, fand Anne. Schrecklich war nur, dass die Schüler sich dort genauso wenig frei entfalten durften wie die Pflanzen. Wehe, einer wich vom Plan ab. Die Zwiebeln zum Mangold und bloß nicht zu den Stangenbohnen. Und um die Erdbeerpflänzchen herum Knoblauch, in einem exakt einzuhaltenden Abstand. Und den Kompost bitte entsprechend der Anweisung umschichten und nicht einfach so drauflos

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