Frostherz
Haus gekommen ist?«
»Na, diese Terrassentür an der Küche ist sicher leicht zu knacken. Vielleicht hat einfach nur irgendjemand mitbekommen, dass das Haus unbewohnt ist, und wollte mal nachschauen. Ich könnte mir vorstellen, das ist gar nicht unüblich, wenn jemand stirbt und das Haus dann leer steht. Aber erklär mir noch mal, was jetzt dein Plan ist«, forderte Cornelius sie auf.
»Ich wollte ja nur Großmutters Schlüssel holen. Die wollte ich dir geben und dich bitten, mit einem Makler das Haus anzuschauen. Gib dich einfach als mein Bruder aus oder als Cousin. Und dann schicken wir den Makler zu meinem Vater. Wenn ihm erst mal jemand ein Angebot für das Haus macht, zieht er bestimmt. Gestern kam er mit Aldi-Zeug an. Nichts mehr Bioladen. Er muss einfach verkaufen.«
»Vielleicht weiß er genau, dass es dieses merkwürdige Zimmer gibt. Vielleicht will er deswegen möglichst wenig mit dem Haus zu tun haben. Er hat Angst, dass BOB oder ein anderer böser Geist dort sein Unwesen treibt. Huuahhh!« Cornelius fuchtelte mit den Händen vor seinem Gesicht herum.
»Aber wenn er von dem Zimmer weiß und nichts damit zu tun haben will, dann kann er doch froh sein, wenn er das Haus loswird.«
»Dafür muss er erst mal in das Haus rein. Wer weiß, welche Geschichte ihn mit dem Zimmer verbindet. Hast du den Namen von diesem Andreas Jänisch mal gegoogelt?«
Anne schüttelte den Kopf. Sie kritzelte vor sich auf das Blatt Papier und schrak zurück, als sie bemerkte, dass auch sie die Buchstabenfolge R.I.P. geschrieben hatte.
»Keine Zeit bisher, mache ich heute Abend. Aber sag, würdest du das für mich tun? Einen Makler besorgen?«
Wie gerne wäre sie zu ihm hingegangen, hätte sich neben ihn auf den Rasen gesetzt. Nur um seine Körperwärme zu spüren. So musste sie sich mit dem Blick aus seinen Augen begnügen, die heute so grün wie das Gras waren.
»Ja«, sagte er. »Selbstverständlich.«
Er war wirklich überrascht. Und erfreut. Dass sich sein Einfluss so schnell bei ihr auswirken würde, hätte er nicht gedacht. Doch er hatte schon immer geahnt, dass sich hinter Annes schüchterner Fassade ein ganz anderer Mensch verbarg. Sie hatte Power, da war er sich sicher. Als ob sie sich bisher von ihrem Vater hatte einsperren lassen, damit diese gewaltige Kraft nicht zum Ausbruch kommen würde. So langsam aber freundete sie sich damit an, das war zumindest sein Eindruck.
Im Internet hatte er schnell ein paar Immobilienfirmen ausfindig gemacht, die sich für das Haus interessieren könnten. Schließlich rief er bei jener an, deren Geschäftsführerin aussah wie Norma Jennings, eine seiner Lieblingsfiguren aus Twin Peaks . Leider bekam er nicht sie an den Apparat, nur ihre Mitarbeiterin Marita Jung.
Cornelius gab sich als Johann Jänisch aus und es hatte nicht den Anschein, als würde die Maklerin auch nur einen Moment an seiner Identität zweifeln. Er grinste vor sich hin, während er mit der Frau einen Termin ausmachte. Glücklicherweise würde es am selben Tag um 17 Uhr klappen. Er war froh, dass er das Haus schon einmal angesehen hatte, so dürfte eigentlich nichts schiefgehen.
Er rief Anne kurz auf dem Handy an und sie einigten sich, dass Cornelius die Maklerin bei Interesse möglichst gleich nach dem Termin bei ihnen vorbeibringen würde. Was dort geschehen würde, stand in den Sternen, aber Cornelius spürte, dass Anne voller Tatendrang war, und er wollte ihren Energieschub nicht bremsen.
Heute Nachmittag müsste seine Mutter auf ihn verzichten. Er bemühte sich, sie zumindest jeden zweiten Tag im Krankenhaus zu besuchen, ihr ein wenig aus der Zeitung vorzulesen, sie abzulenken. Meist lag sie sowieso nur apathisch da, betäubt von Schmerzmitteln. Es kostete ihn jedes Mal Überwindung hinzugehen, aber Cornelius hatte das Gefühl, ihr diese Besuche schuldig zu sein. Wenn schon sein Vater nicht kam! Cornelius verstand immer weniger, was seine Eltern eigentlich miteinander verband. Früher war er es gewesen, das war ihm klar. Aber jetzt? Warum warf seine Mutter ihren Mann nicht einfach aus dem Haus? Seit sie krank war, hatte er sie nicht einen Tag unterstützt, dieser miese Typ. Was hatte er für einen Aufstand gemacht, als sie um die Rückkehr nach Deutschland gebeten hatte. Früher hatte sich Cornelius noch geschämt, wenn er schlecht über seinen Vater gedacht hatte, aber inzwischen empfand er es als angebracht. Was sollte man von jemandem halten, der nach außen hin auf »Heilige Familie« machte, daheim
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