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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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Grandma und ich es sofort. Meine Mom war genauso gewesen. Grandma war zudem eine phantastische Köchin und noch bessere Bäckerin, also gab es in ihrer Küche immer süße Sünden, gewöhnlich frisch aus dem Ofen.
    Ich aß mein Mittagessen und kratzte noch die letzten Reste des Kürbiskuchens mit der Gabel vom Teller, dann räumte ich auf. Sobald das erledigt war, zog ich meinen Wonder Woman -Comic heraus und machte es mir am Küchentisch gemütlich, um darauf zu warten, dass Grandma Frost mit ihrem Kunden fertig wurde.
    Ja, vielleicht machte mich meine Vorliebe für Superhelden noch seltsamer, als ich sowieso schon war, aber ich las gerne Comics. Die Zeichnungen waren cool, die Charaktere interessant, und die Heldin gewann am Ende immer, egal was zwischendrin an Katastrophen geschah. Ich wünschte mir, das wahre Leben wäre so. Dann hätte meine Mom ihren Autounfall irgendwie überlebt, wie so viele meiner Helden in den Comics es getan hatten.
    Der alte, vertraute Schmerz breitete sich in meinem Herzen aus, aber ich verdrängte die traurigen Gedanken und versenkte mich in die Geschichte, verlor mich in dem Abenteuer, bis ich vergessen konnte – oder fast vergessen konnte –, wie mies mein Leben war.
    Ich hatte gerade die letzte Seite umgeblättert, als meine Grandma in die Küche trat.
    Geraldine Frost trug eine purpurne Bluse aus dünner Seide, zusammen mit weiten schwarzen Hosen und Pantoffeln, die vorne nach oben gebogen waren und ihr das Aussehen eines Flaschengeistes verliehen. Nicht dass man wirklich hätte erkennen können, was sie anhatte, da Tücher fast ihren gesamten Körper verhüllten. Purpur, grau, smaragdgrün. All diese Farben leuchteten durcheinander, während falsche Silbermünzen an den langen, fransigen Enden klingelten.
    Ringe mit großen Schmucksteinen steckten auf ihren knorrigen Fingern, und um ihren rechten Knöchel zog sich eine dünne Silberkette. Ihr stahlgraues Haar fiel ihr bis auf die Schultern, zurückgehalten nur von dem Tuch, das sie als Stirnband benutzte. Aus ihrem gebräunten, faltigen Gesicht strahlten purpurne Augen.
    Grandma Frost sah aus, wie ich mir immer eine echte Gypsy vorgestellt hatte – und damit genau so, wie ihre Kunden es erwarteten, wenn sie sich die Zukunft voraussagen ließen. Grandma behauptete immer, dass die Leute genauso für ihr Aussehen zahlten wie für ihre Vorhersagen, und erklärte, dass eine alte, weise, mysteriöse Gypsy einfach bessere Trinkgelder bekam.
    Ich wusste nicht genau, was uns zu Gypsies machte. Wir benahmen uns nicht wie irgendwelche Gypsies, von denen ich je gelesen hatte. Wir lebten nicht in Pferdewagen, und wir wanderten nicht von Stadt zu Stadt, um Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Aber ich war Gypsy genannt worden, seit ich denken konnte, und so sah ich mich selbst.
    Vielleicht lag es daran, dass ich eine Frost war. Grandma hatte mir erklärt, es sei in unserer Familie Tradition, dass die Frauen ihren Namen behielten, weil sich unsere Gypsygaben, unsere Macht, von der Mutter auf die Tochter vererbten. Also hatte ich, obwohl meine Eltern verheiratet gewesen waren, den Nachnamen meiner Mom Grace geerbt statt den Nachnamen meines Vaters, Tyr, der Forseti gelautet hatte.
    Oder vielleicht war es unsere Gabe selbst, die uns zu Gypsies machte – die seltsamen Dinge, die wir tun und sehen konnten. Ich wusste es nicht, und weder meine Mom noch meine Grandma hatten es mir je wirklich erklärt. Allerdings hatte ich auch kaum nachgefragt, bevor ich nach Mythos gekommen war, wo alle genau wussten, was sie waren, was sie konnten, woher sie kamen und wie voll das Konto ihrer Eltern war.
    Manchmal fragte ich mich, wie viel Grandma Frost eigentlich über die Akademie, den Kriegernachwuchs, die Schnitter und den Rest wusste. Schließlich hatte sie nicht gerade lauthals widersprochen, als Professor Metis bei uns erschienen war, um zu verkünden, dass ich die Schule wechseln würde. Grandma hatte eher schicksalsergeben gewirkt, als hätte sie immer gewusst, dass Metis früher oder später auftauchen würde. Natürlich hatte ich meiner Grandma alles über die seltsamen Dinge erzählt, die in Mythos passierten, aber sie hatte nie auch nur mit der Wimper gezuckt. Und jedes Mal, wenn ich Grandma nach der Akademie fragte und danach, warum ich wirklich dort hingehen musste, sagte sie nur, ich solle dem Ganzen eine Chance geben und es werde irgendwann schon besser.
    Manchmal fragte ich mich, ob sie mich anlog – obwohl sie das bisher noch nie getan

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