Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
Vom Netzwerk:
und absolut tot ausgesehen.
    Ich dachte an die bösartigen Dinge, die ich heute von den anderen Schülern über sie gehört hatte. Vielleicht war das alles ja wahr, aber trotzdem sollte es jemanden kümmern, dass Jasmine tot war. Und es sah so aus, als wäre dieser Jemand ich. Jetzt war die Zeit, tatsächlich etwas zu unternehmen , egal wie unsicher ich mir darüber war, ob ich das Richtige tat.
    Zumindest war es ein Anfang, und es war um einiges besser, als zwischen den muffigen Bücherregalen herumzusitzen und über meiner Gypsygabe und dem Tod meiner Mom zu brüten, während ich aus dem Augenwinkel ein seltsames Schwert beobachtete und mich fragte, ob es meinen Blick gleich erwidern würde. Jasmines Tod zu untersuchen, so fehlgeleitet das auch sein mochte, erschien mir um einiges verlockender als das.
    Ich packte meine Sachen zusammen und verließ die Bibliothek.
    Ich war länger in der Bibliothek der Altertümer gewesen, als ich gedacht hatte, denn als ich vor die Tür trat, dämmerte es bereits. Ich sah auf meine Uhr. Schon nach sechs. Der Unterricht war für den Tag beendet, und außer ein paar Schülern, die zur Bibliothek gingen oder sich von ihr entfernten, waren die Grasflächen menschenleer. Um diese Zeit waren die meisten Schüler beschäftigt, ob nun mit Clubtreffen, Sport oder damit, sich im Speisesaal etwas zu essen zu besorgen, bevor sie in ihre Zimmer zurückkehrten und ihre Hausaufgaben erledigten. Aber mir machten weder das Zwielicht noch der leere Hof etwas aus. Die düstere Ruhe eignete sich bestens zum Herumschleichen.
    Ich eilte an den fünf Hauptgebäuden vorbei und folgte dem gewundenen Pfad, der zum Walhalla-Wohnheim führte. Das Gebäude aus grauem Stein war dreistöckig und wie jedes andere Haus der Akademie dicht mit Efeu überwuchert. Ihrem Internetprofil zufolge lag Jasmines Raum im ersten Stock, was bedeutete, dass ich nicht einfach durch ein offenes Fenster einsteigen konnte. War ja klar, dass das Schicksal mir die Sache nicht so leicht machen würde.
    Ich versuchte nicht einmal, um das Gebäude herumzugehen und mich von hinten reinzumogeln. Ich wusste vom Styx-Wohnheim, dass dort die ganzen Raucher herumhingen und an ihren Zigaretten oder ab und zu auch mal einem Joint zogen. Bei Styx musste man durch Wolken von Rauch waten, um reinzukommen, und dann stank man so sehr nach Tabak, dass man erst mal duschen durfte. Das war es absolut nicht wert.
    Aber alle Türen zu den Wohnheimen hatten Scanner, durch die man seine Schüler-Ausweiskarte ziehen musste, um hineinzugelangen. Aus Sicherheitsgründen und um die Kerle und die Mädchen getrennt zu halten oder den Kontakt zumindest auf ein Minimum zu beschränken, verschaffte einem die Karte nur Zutritt zum eigenen Wohnheim. Das bedeutete, dass meine Styx-Codekarte in Walhalla nicht funktionieren würde. Frustration stieg in mir auf. Man konnte anderen Schülern über die Klingelanlage die Tür öffnen, aber natürlich hatte ich keine Freunde in diesem Wohnheim, die mich reinlassen würden. Ich hatte überhaupt keine Freunde.
    Aber ich war noch nicht bereit, aufzugeben. Ich ließ den Blick über die Pfade schweifen, die an den Wohnheimen vorbeiliefen. Nach ungefähr zehn Sekunden entdeckte ich ein vertrautes Gesicht – eine kleine Walküre, die mit mir in Englischer Literatur saß. Ein Mädchen, das mich bis jetzt wahrscheinlich noch nie bemerkt hatte und absolut keine Ahnung hatte, wer ich war – und, noch wichtiger, das nicht wusste, dass ich hier nicht hingehörte. Es war einen Versuch wert.
    Ich stieg die Stufen zur Eingangstür nach oben und fing an, in meiner Tasche herumzuwühlen, als suchte ich nach meiner ID-Karte. Ein paar Sekunden später kam auch die Walküre die Stufen hinauf. Ich drehte mich zu ihr um und trat einen Schritt zur Seite.
    »Habe mal wieder meine ID-Karte vergessen«, sagte ich mit fröhlicher Stimme und lächelte. »Könntest du mich bitte reinlassen?«
    Das andere Mädchen warf mir einen seltsamen Blick zu, aber es zog seine Karte durch den Scanner, öffnete die Tür und ging hinein. So viel zu den phantastischen Sicherheitsmaßnahmen, die Professor Metis gestern erwähnt hatte. Ich folgte der Walküre ins Haus.
    Das Innere von Walhalla ähnelte in groben Zügen dem meines Wohnheims. Im Erdgeschoss lag eine Reihe von Gemeinschaftsräumen, unter anderem der große Aufenthaltsraum, in dem ich im Moment stand. Er war allerdings um einiges hübscher als der von Styx, mit schicker, ziemlich teuer wirkender

Weitere Kostenlose Bücher