Frostkuss
Einrichtung. Um drei riesige Fernseher gruppierten sich mehrere Couchen und Lehnsessel. Auf einem der Geräte lief eine schlechte Realityshow, und das Mädchen davor schien eher an ihren SMS interessiert als an der Sendung.
Ich verschwendete keine Zeit mit Gaffen, sondern eilte stattdessen in den ersten Stock. Das Glück war mir hold, und ich begegnete keinen weiteren Walküren. So gut wie alle waren noch auf dem Campus unterwegs, und das Wohnheim war ruhig und fast leer.
Schnell strebte ich auf den Raum 21V zu, wo Jasmine ihrem Onlineprofil zufolge gewohnt hatte. Die Tür war geschlossen, aber sonst gab es keinen Hinweis darauf, dass das Zimmer einem ermordeten Mädchen gehörte. Es zog sich kein gelbes Absperrband über den Türrahmen oder so. Ich wollte mich nicht beschweren, aber trotzdem fand ich es ein wenig seltsam – wie fast alles andere in Mythos auch.
Ich blieb stehen und starrte für einen Moment einfach die Tür an, während ich mich fragte, ob ich wirklich das Richtige tat. Aber ich war schon zu weit gekommen, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Und ja, ich war ein wenig neugierig, wie Jasmines Raum wohl aussah. Alle hatten immer darüber geredet, wie toll er war. Verklagt mich doch, weil ich es gern wissen wollte. Außerdem hatte ich den größten Teil des Einbruchs schon hinter mir – dann konnte ich ihn jetzt auch in einen Einbruchdiebstahl verwandeln. Also holte ich tief Luft, streckte die Hand nach dem Türknauf aus und drehte ihn.
Verschlossen. Mist.
Sicher, ich hatte erwartet, dass die Tür verschlossen sein würde, aber ein Teil von mir hatte trotzdem gehofft, dass die Großen und Mächtigen einen Fehler gemacht hatten und die Tür offen stand.
Ich beugte mich vor und betrachtete das Schloss genauer. Wie die Türen in meinem Wohnheim war auch diese nicht ganz so schick und widerstandsfähig, wie sie hätte sein können, und es blieb ein kleiner Spalt zwischen Tür und Rahmen. Also schob ich die Hand in ein Seitenfach meiner Tasche und angelte darin herum, bis ich meinen Führerschein fand.
Ich war begeistert gewesen, als ich den Führerschein letztes Jahr bekommen hatte, und ich hatte sogar Geld von meinen Jobs zurückgelegt, um mir ein Auto zu kaufen. Aber ich war nicht mehr gefahren, seit ich auf die Akademie ging – hauptsächlich, weil ich auf dem Campus überall zu Fuß hingehen konnte und der Cypress-Mountain-Bus direkt an Grandma Frosts Haus vorbeifuhr. Und wenn man seine Mutter bei einem Autounfall verliert, nimmt das der Fahrerei sowieso irgendwie den ganzen Spaß. Aber für so einen Führerschein gab es viele Einsatzmöglichkeiten, und eine davon hatte mir meine Mom gezeigt.
Ich schob die laminierte Karte zwischen Tür und Rahmen, bevor ich sie langsam nach unten Richtung Schloss führte. Es kostete mich ein wenig Gewackel, aber ich schaffte es tatsächlich, meinen Führerschein zwischen Schloss und Rahmen zu zwängen, sodass der Riegel zurückschnappte.
Die Tür sprang auf und schwang nach innen.
Bevor ich groß darüber nachdenken konnte, was ich da vorhatte und wie falsch es war, trat ich auch schon in den Raum und schloss die Tür hinter mir. Zu meiner Überraschung war es im Zimmer hell, denn auf dem Schreibtisch verbreitete eine Tiffanylampe warmes Licht. Ich stand einfach nur da und sah mich um, weil ich versuchte, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was für eine Art von Mädchen Jasmine Ashton gewesen war – und wer sie hatte umbringen wollen.
Der Raum sah ziemlich genau so aus, wie ich es erwartet hatte. Jasmine hatte das Zimmer natürlich für sich allein, und es wirkte eher wie ein luxuriöses Apartment als wie ein Wohnheimzimmer. In einer Ecke stand ein Bett, auf dem eine blaue Tagesdecke von Ralph Lauren ausgebreitet lag, zusammen mit einem Haufen dazu passender Kissen und verschiedenster Stofftiere. Überwiegend Katzen. Löwen, Tiger und Panther, soweit ich sehen konnte.
An der gegenüberliegenden Wand stand eine große, weiße Schminkkommode mit einer gepolsterten Bank vor der glasüberzogenen Oberfläche. Der Spiegel darüber war von kleinen Lampen umgeben. Make-up, Bürsten, Parfümflaschen und andere Kosmetika standen auf der Glasplatte, während hinter dem goldenen Rahmen des Spiegels verschiedene Fotos klemmten. Ich musterte die Bilder. Die meisten schienen Jasmine selbst zu zeigen statt ihre Freunde oder ihre Familie. Da hatte sich jemand aber fürchterlich gerne selbst bewundert. Ich hätte das vielleicht genauso gehalten, wäre ich so hübsch
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