Frostkuss
weil mir nach was Süßem war.
Ich hatte vor fünf Minuten meinen üblichen Salat mit Hühnerbruststreifen aufgegessen und suchte jetzt nach der Person, die mir dabei helfen würde, Jasmines Laptop zu knacken, selbst wenn sie noch gar nichts davon wusste.
Ich brauchte noch weitere zwei Minuten, um sie zwischen den ganzen Leuten zu entdecken. Sie saß am anderen Ende des Speisesaals, ein Buch vor sich, auch wenn ihre Augen auf den Musikfreak neben ihr gerichtet waren. Ich kurvte zwischen den Tischen hindurch auf sie zu.
»… also siehst du, es ist jede Menge Symbolismus in der Ilias «, erklärte Carson Callahan geduldig. »Du musst einfach nur deinen Lieblingsgott oder Helden wählen, dann bin ich sicher, dass wir zusammen etwas finden, was du in deinem Aufsatz schreiben kannst.«
Daphne Cruz schenkte dem Objekt ihrer Zuneigung ein strahlendes Lächeln, das sie von halbwegs hübsch in einfach atemberaubend verwandelte. »Du bist so klug, Carson. Für mich ist das alles nur Geschwafel.«
Daphne lehnte sich ein wenig näher zu dem Musikfreak und legte ihm eine Hand auf den Arm. Carson riss hinter seiner dunklen Brille die Augen auf und blinzelte mehrmals. Die zwei waren vollkommen in ihrer eigenen kleinen Welt versunken.
Ich räusperte mich. »Tut mir ja so leid, dass ich stören muss.«
Beim Klang meiner Stimme zuckten sie zusammen und entfernten sich voneinander, als hätten sie etwas Verbotenes getan. Daphnes Kopf schoss nach oben, während Carson sie weiter anstarrte.
»Warum tust du es dann?«, fragte Daphne scharf.
Sie pochte mit einem Fingernagel auf das Buch, und pinkfarbene Funken leuchteten in der Luft. Die Walküre war ziemlich sauer, weil ich das Pseudodate mit ihrem Schwarm unterbrochen hatte.
Ich lächelte sie an. »Weil ich mit dir reden muss, Daphne. Über dieses spezielle Projekt, das wir in Mythengeschichte aufbekommen haben.«
Sie runzelte die Stirn. »Was für ein Projekt? Du bist nicht mal mit mir in Mythengeschichte …«
»Du weißt schon. Das Projekt, über das wir uns neulich in der Mädchentoilette unterhalten haben. Direkt nachdem ich dir von dem Bettelarmband erzählt habe, das ich für Carson gefunden habe.« Ich schaute den Musikfreak an. »Wie ist es gelaufen, Carson? Du und Leta?«
Trotz seiner dunklen Haut nahm der Musikfreak eine interessante Farbe zwischen Purpur und Rot an. »Ähm, na ja, ich habe, ähm, eigentlich noch gar nichts unternommen, Gwen.«
»Na, dann beeilst du dich besser«, sagte ich. »Der Ball ist am Freitagabend. Du willst doch nicht ohne Verabredung dastehen, oder?«
Daphne kniff die Augen zusammen, und ihre pink angemalten Lippen bildeten plötzlich eine so feine Linie, dass ich sie kaum noch erkennen konnte.
»Carson«, sagte Daphne mit täuschend freundlicher Stimme. »Ich muss mich wirklich kurz mit Gwen unterhalten. Meinst du, wir können uns später noch mal treffen? Vor der letzten Stunde, damit wir weiter über meinen Aufsatz reden können?«
»Sicher«, meinte Carson.
Daphne und ich starrten uns weiterhin an. Carson sah zwischen uns hin und her, weil er nicht verstand, was los war. Schließlich, nach ungefähr dreißig Sekunden vollkommenem Schweigen, kapierte er endlich, dass er gehen sollte.
»Okay, dann … verschwinde ich mal«, sagte er.
Carson stand auf und fing an, Bücher und Zettel in seine Tasche zu schieben. Schließlich legte er sich den Riemen über die Schulter. Sein Blick streifte mich kurz, bevor er Daphne seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Die Walküre war zu sehr damit beschäftigt, mich böse anzustarren, aber ich sah die ruhige, traurige Sehnsucht in seinen Augen. Süß, aber ich hatte im Moment einfach keine Zeit für ein Romeo und Julia -Drama.
»Ciao, Carson«, sagte ich mit fester Stimme, um ihn loszuwerden.
Carson tauchte aus seiner stummen Anbetung der Walküre auf. »Ähm, ciao, Gwen.«
Carson warf Daphne noch einen letzten sehnsüchtigen Blick zu, dann bahnte er sich seinen Weg zwischen den Tischen hindurch und verließ den Speisesaal.
Ich wartete, bis Carson außer Sicht war, bevor ich mich auf seinen Platz setzte. Neben mir war Daphne damit beschäftigt, so schnell wie möglich ihre eigenen Bücher und Notizen einzupacken, weil sie wahrscheinlich vorhatte, mich hier allein sitzen zu lassen, nachdem ich ihren Schwarm vertrieben hatte.
»Das war eine anheimelnde kleine Szene«, sagte ich milde. »Ich wusste nicht, dass du so flirten kannst, Daphne.«
Die Walküre warf mir einen Blick zu, mit dem man
Weitere Kostenlose Bücher