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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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jemandem wehtun konnte. Aber natürlich gelang es ihm schließlich, Sigyn, seine Frau, durch einen Trick dazu zu bringen, ihn freizulassen. Er entkam.«
    »Und wo kommt die Schale ins Spiel?«, fragte ein Mädchen vom anderen Ende des Klassenzimmers.
    Metis lächelte. »Geduld, Skylar. Das erkläre ich gleich. Also, die Schale, die ihr in eurem Buch seht, ist diejenige, in der Sigyn das Schlangengift sammelte. Trotz seiner Verbrechen liebte Sigyn Loki aus vollem Herzen, und sie hielt die Schale über seinen Kopf und fing so viel von dem Gift auf, wie sie konnte, um es davon abzuhalten, auf ihren Ehemann zu tropfen und ihn zu verbrennen. Aber so setzte Sigyn auch sich selbst dem Gift aus, das ihre Hände und Arme verätzte.«
    Für mich klang das, als wäre Sigyn ziemlich … dämlich. Loki war derjenige, der den Tod eines anderen Gottes verschuldet hatte, nicht sie. Sie hätte der Bestrafung einfach ihren Lauf lassen sollen, statt zu versuchen, seine Schmerzen zu lindern, ihm zur Flucht zu verhelfen und sich dabei auch noch selbst zu verletzen. Aber vielleicht war ich einfach nur rachsüchtig, weil die Polizei nie den betrunkenen Fahrer erwischt hatte, der das Auto meiner Mom gerammt hatte. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ihn – wer auch immer er war – unter einer riesigen Schlange angekettet zu sehen, während Gift, Säure oder was auch immer auf sein Gesicht tropfte.
    »Wann immer die Schale sich füllte, musste Sigyn sie leeren gehen, sodass das Gift für eine Weile auf Lokis Gesicht tropfen konnte und ihm unvorstellbare Qualen bereitete. Wenn Sigyn mit der leeren Schale zurückkam, tropften, bevor sie die Schale wieder heben konnte, Lokis Tränen hinein und vermischten sich mit dem Schlangengift. Deswegen heißt sie die Schale der Tränen«, beendete Professor Metis ihre Erklärung.
    Sie wies uns an, umzublättern. Auf der nächsten Seite zeigte ein Bild eine riesige Schlange, die sich um einen Baum wand. Ihr Kopf hing nach unten, ihr Maul war weit geöffnet und gab den Blick auf die riesigen, gebogenen Zähne frei, an deren Enden jeweils ein Tropfen Flüssigkeit hing.
    Loki kauerte unter der Schlange. Die Tuschezeichnung zeigte den Gott in schrecklichen Qualen. Sein Mund war in einem stummen Schrei aufgerissen, und die Muskeln an Nacken und Armen traten hervor, weil er sich bemühte, die Ketten zu zerreißen, die ihn banden. Sein Gesicht war nur verschwommen gezeichnet, aber eine Hälfte sah aus, als wäre sie geschmolzen. Wegen des Giftes, nahm ich an.
    »Also, jetzt wissen wir, warum Loki zum ersten Mal angekettet wurde. Seine Handlungen verursachten den Tod eines anderen Gottes. Aber warum wurde Loki Jahrhunderte später ein zweites Mal gefesselt, und warum wird er selbst jetzt noch gefangen gehalten?«
    »Weil er den Chaoskrieg begonnen hat«, meldete sich Carson vor mir zu Wort.
    »Ja und nein, Carson«, antwortete Professor Metis. »Loki wurde festgesetzt, weil er Chaos war . Jeder Gott hat seinen Platz in der natürlichen Ordnung der Dinge. Loki war ein Gott des Unfugs. Aber er wollte mehr tun, als nur Streiche spielen – er wollte die anderen Götter beherrschen . Er wollte alles und jeden kontrollieren, Götter, Sterbliche und alle Kreaturen dazwischen. Loki war klug und sehr, sehr gerissen. Er wusste, dass er die anderen Götter nicht allein stürzen konnte. Dafür fehlte ihm die Macht. Also fing er an, mit anderen zu reden – Göttern, Sterblichen und allen Kreaturen dazwischen – und flüsterten ihnen ein, wie anders die Dinge sein könnten, wie viel besser alles wäre, wenn er die Herrschaft innehätte. Er wandelte sich von einem Gott des Unfugs zu einem Säer der Zwietracht, hetzte die Leute gegeneinander auf, sorgte dafür, dass sie nach Macht gierten und alles taten, um sie zu bekommen – selbst wenn sie sich dafür gegenseitig umbringen mussten.«
    Ich hatte das Gefühl, dass es ein wenig komplizierter gewesen war und Metis die ganze Geschichte für unsere jugendlichen Geister ein wenig herunterbrach, aber ich verstand, worum es ging. Loki: böse. Andere Götter: gut.
    »Schließlich überzeugte Loki andere, ihm zu folgen, und er schuf seine eigene Armee aus Göttern, Kreaturen und sterblichen Kriegern. Er nannte sie die Schnitter des Chaos. Und als er genug Gefolgsleute gefunden hatte, als er genug Macht gesammelt hatte, kam Loki aus seinem Versteck. Er erhob sich mit seiner Armee und forderte die anderen Götter heraus, die mit ihren eigenen Kriegern und Kreaturen das Pantheon

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