Frostkuss
hatte. Um einiges schwerer.
»Also …«, sagte Daphne, die immer noch stand, damit ihr Kleid nicht verknitterte. »Ich gehe davon aus, dass du nicht zum Ball gehst. Bitte sag mir, dass du nicht in diesem schrecklichen Kapuzenpulli dort auftauchen willst.«
Ich kniff die Augen zusammen. Gehässig sein konnte ich auch. Nur nett sein fiel mir schwer. »Ich mag meinen Kapuzenpulli sehr, danke vielmals. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde ihn nicht auf dem Ball tragen, weil ich nicht hingehe. Niemand hat mich gefragt, falls du das nicht schon selbst erraten hast. Wie du heute beim Mittagessen so schön gesagt hast, habe ich keine Freunde auf Mythos und noch weniger einen Freund .«
Vielleicht bildete ich es mir ja nur ein, aber ich hatte das Gefühl, dass Daphne bei meinen harschen Worten ein wenig zusammenzuckte.
Die Walküre zögerte. »Weißt du, du könntest ja mit mir und Carson gehen …«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Und euch das erste große Date versauen? Ich glaube nicht. Nicht mal ich bin so ein Miststück.«
»Ja, es wäre vielleicht etwas unangenehm.«
»Ehrlich?«
Wir sahen uns an, rollten beide die Augen und lachten. Das brach das Eis zwischen uns, und wir fingen an, uns über all den deftigen Klatsch auszutauschen, den wir heute gehört hatten. Wer mit wem zum Ball ging, wer sich betrinken würde, noch bevor der Abend auch nur halb vorbei war, und wer fest vorhatte, mit seinem Freund oder seiner Freundin aufs Ganze zu gehen.
Plötzlich fiel mir auf, dass ich mich fast … normal fühlte. Fast so, als ginge ich immer noch auf eine normale Schule mit normalen Menschen – und als wäre ich selbst tatsächlich normal. Es war ein … schönes Gefühl und machte fast Spaß.
Schließlich hörten wir auf, über die anderen Schüler zu tratschen und zu kichern, und Daphne warf mir einen listigen Blick zu.
»Also, was läuft da zwischen dir und Logan Quinn?«, fragte sie.
Ich blinzelte. »Was meinst du?«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ich meine, dass ihr beide gestern beim Lagerfeuer sehr süß ausgesehen habt. Und er hat einen auf Spartaner gemacht und einen Nemeischen Pirscher umgebracht, der dich fressen wollte. Was absolut sexy ist, wenn du mich fragst.«
»Logan Quinn scheint mir kein Kerl zu sein, der nett zu einem Mädchen ist, wenn er nichts von ihr will. Wie zum Beispiel die Chance, ihre Matratze zu signieren«, erklärte ich trocken. »Ja, er hat mir gestern Abend das Leben gerettet, hat mich vor diesem entsetzlichen Pirscher gerettet. Aber du hättest ihn sehen sollen. Es schien fast, als wäre er glücklich darüber, dass das Vieh versucht hat, ihn umzubringen. Als hätte er es tatsächlich genossen, gegen das Monster zu kämpfen. Ich glaube, er hat es eher für sich getötet als für mich. Um sich selbst zu beweisen, dass er es kann, oder so.«
Daphne hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Na ja, er ist ein Spartaner. Töten ist das, was sie tun. Was hast du erwartet? Dass er dir Blumen schickt und schlechte Gedichte für dich schreibt? Dieser tote Nemeische Pirscher ist noch das nächste zu einem Stofftier, das du von einem Spartaner wie Logan Quinn je bekommen wirst.«
Ich warf ihr einen verständnislosen Blick zu. »Was hat Spartaner sein mit Stofftieren zu tun?«
Daphne seufzte. »Du bist jetzt seit, was, zwei Monaten hier, und du verstehst es immer noch nicht, oder, Gwen? Wie die Dinge hier laufen? Warum wir alle wirklich hier sind?«
Ich zuckte mit den Schultern.
Daphne starrte mich an, und ihre schwarzen Augen blickten ernst aus ihrem hübschen Gesicht. »Wir sind hier, wir alle – Walküren, Spartaner, Amazonen und der Rest von uns –, weil wir magisch sind. Weil wir von Mythen abstammen. Du kennst doch all die Geschichten darüber, wie mutig die Spartaner im Kampf um die Thermopylen waren? Wie eine so kleine Gruppe all diese Tausende und Abertausende anderer Krieger zurückgehalten hat? Das ist nicht nur eine Geschichte. Es ist wahr. Real. Genau wie die uralten Walküren die Toten nach Walhalla geleitet haben, genau wie die Trojaner im Trojanischen Krieg von den Griechen und diesem hölzernen Pferd echt plattgemacht wurden. All diese Mythen, all diese Legenden, all die Magie ist real. Und sie ist ein Teil von uns, gehört zu uns. Wir halten sie am Leben, und wir nutzen sie, um das Chaos und die Dunkelheit davon abzuhalten, die Welt zu verschlingen.«
Noch vor einer Woche hätte ich sie ausgelacht. Aber jetzt fing ich tatsächlich an, ihr zu glauben, an
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