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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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richtig unter Stress stand.
    Ich blinzelte und blinzelte, aber nichts geschah. Das Auge war immer noch da, und es starrte mich immer noch an.
    Das Auge hatte eine seltsame Farbe, irgendwo zwischen Purpur und Grau, die Art von Farbe, die einen an die Dämmerung denken lässt, diese kurze Zeitspanne nach dem Sonnenuntergang, bevor die Welt wirklich dunkel wird.
    Ich lag in einer ungemütlichen Haltung halb über Der Vitrine . Meine Finger hinterließen Schlieren auf dem Glas, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte einfach den Blick nicht von dem Auge im Schwert abwenden. In meiner Brust stieg ein seltsames Gefühl auf, eine Art Euphorie. Aus irgendeinem Grund machte es mich glücklich, das Schwert anzusehen. Auf dieselbe Art, wie das Kämpfen Logan glücklich machte. Ich schauderte. Warum sollte ein Schwert solche Gefühle in mir wecken? Ich wusste ja nicht mal, wie man es benutzte …
    Plötzlich verengte sich das Auge zu einem schmalen Schlitz, als würde es mich abschätzen, als wüsste es um jedes meiner Geheimnisse, nur indem es mich ansah. Ich hatte das Gefühl, darin zu versinken, in seinem dämmrigen Purpur zu ertrinken, als könnte ich mich nie wieder von diesem einäugigen, stechenden Blick losreißen. Seltsamerweise wollte ich das auch gar nicht.
    Ich weiß nicht, wie lange ich noch dort gestanden und in dieses Auge gestarrt hätte, hätte ich nicht hinter mir ein Fauchen gehört.
    Ein tiefes, besonders bösartiges Fauchen, das ich in meinem Leben erst einmal gehört hatte. Die Art von Fauchen, die mir das Blut in den Adern und das Herz in der Brust gefrieren ließ. Das Geräusch durchbrach meinen verwirrten Tagtraum und riss mich zurück in die Realität. Ich dachte daran, was das letzte Mal geschehen war, als ich dieses schreckliche Geräusch vernommen hatte.
    O nein !
    Langsam drehte ich mich um und sah über meine Schulter.
    Hinter mir stand ein Nemeischer Pirscher.
    Er sah genauso aus wie der gestern vor der Bibliothek. Eine schwarze, pantherähnliche Kreatur mit großen Krallen und noch größeren Zähnen, die mich genauso beiläufig töten konnte, wie sie atmete. Falls das Wesen überhaupt atmen musste und nicht nur aus purer Bosheit bestand. In diesem Punkt war ich mir nicht allzu sicher.
    Der Pirscher fauchte mich an und zog die Lefzen zurück, um seine Reißzähne zu enthüllen. Natürlich glänzten sie ganz wunderbar in dem seltsamen goldenen Licht, das die Bibliothek erfüllte. Ich schluckte schwer, aber auch das half nicht gegen den harten Klumpen aus Angst in meinem Hals. Diesmal allerdings versuchte ich gar nicht erst, Liebes Kätzchen zu sagen. Nichts an dieser Kreatur war lieb, besonders nicht die Art, wie sie mich ansah.
    Für einen Moment glaubte ich, der Pirscher würde mich einfach sofort anspringen und mir mit seinen vielen, vielen Zähnen die Kehle herausreißen. Aber stattdessen erklang ein tiefes Pfeifen, und die Kreatur trat zur Seite, damit ihr Meister sich mir nähern konnte.
    Eine Gestalt in einem langen, scharlachroten, mit Juwelen besetzten Umhang schritt durch die Regalreihen auf mich zu. Der Stoff wehte und ließ mich an einen Fluss aus Blut denken. Mir lief ein Schauder über den Rücken. Allerdings hätte mich der Anblick nicht überraschen dürfen. Schließlich hatte ich bei der Berührung ihres Laptops gesehen, wie sie genau diesen Umhang im Internet gekauft hatte. Ich hatte mir nur zu diesem Zeitpunkt einfach nichts dabei gedacht. Ich war nicht Sherlock Holmes. Die Person in dem Umhang war definitiv klüger als ich. Klüger als wir alle. Weil sie diesen ganzen, kranken Schwindel bis jetzt ganz wunderbar eingefädelt hatte.
    Der Umhang besaß eine Kapuze, also konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen. Ich sah nur die Andeutung eines Lächelns auf ihren rosafarbenen Lippen und das Aufblitzen weißer Zähne. Aus irgendeinem Grund machten mir ihre Zähne mehr Angst als die des Pirschers.
    »Hallo, Gypsy«, murmelte eine leise Stimme aus den Tiefen der Kapuze. »Ich hatte mich schon gefragt, wann du auftauchst.«
    Falls ich noch Zweifel gehabt hatte, jetzt waren sie ausgeräumt, denn ich kannte diese Stimme. Wusste genau, wem sie gehörte. Das letzte Mal hatte ich sie gehört, als sie auf dem großen Platz lachte, an dem Tag, als das alles begonnen hatte.
    Die Gestalt hob die Arme und schob die Kapuze zurück. Hellblondes Haar, blaue Augen, perfekte Haut, wunderschönes Gesicht.
    Wieder starrte ich Jasmine Ashton an – nur diesmal war sie genauso lebendig wie ich.

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