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Frostkuss

Frostkuss

Titel: Frostkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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Comics stirbt nie jemand wirklich, nicht mal der Schurke. Zumindest nicht für längere Zeit.
    Die Worte, die ich letzte Nacht zu Logan gesagt hatte, hallten durch meinen Kopf und verspotteten mich, während ich Jasmine anstarrte. Denn das Mädchen, das vor mir stand, war definitiv nicht tot. Mein Blick glitt zu ihrer Kehle, die genauso glatt wirkte wie meine. Nö, absolut nicht tot. Ich hatte allerdings so ein Gefühl, dass man dasselbe nach dieser Nacht nicht mehr über mich würde sagen können.
    »Du bist … du lebst«, sagte ich schließlich.
    Die Walküre kicherte leise, und das Geräusch wurde von den Wänden der Bibliothek zurückgeworfen. »Allerdings, Gypsy. Ich lebe. Jetzt sei ein liebes Mädchen und stell dich neben Morgan. Dann werde ich dir alles erklären. Das einzige Problem an solchen Plänen ist immer, dass man vor niemandem damit angeben kann.«
    Mein Blick wanderte zu der offenen Tür am Ende der Regalreihe, während ich mich fragte, ob ich mich an Jasmine vorbeidrängen und aus der Bibliothek rennen konnte, bevor sie mich, ich weiß nicht, umbrachte , bis ich tot, tot, tot war. Aber der Pirscher bemerkte meinen Blick und fauchte mich bösartig an.
    Ich leckte mir über die Lippen. »Ist dieses Ding eine Illusion? Wie das gestern Nacht?«
    Jasmine kam näher, legte eine Hand auf den Rücken der Kreatur und streichelte ihren schwarzen Pelz. Die blutroten Augen des Pirschers leuchteten auf, und er gab ein leises, wohlig-schnurrendes Geräusch von sich, das mich dazu veranlasste, eine Grimasse zu ziehen.
    »O nein, Gypsy. Dieser Pirscher ist absolut real. Aber es würde sowieso keinen Unterschied machen. Illusionen können dich genauso in Stücke reißen wie echte Reißzähne und Klauen.«
    Daphne hatte letzte Nacht draußen bei der Bibliothek etwas Ähnliches gesagt, aber ich hatte ihr nicht ganz geglaubt. Wie sollte einen etwas verletzen, das nicht einmal real war? Aber langsam ging mir auf, dass ich riesige Wissenslücken in Bezug auf Mythen und Magie hatte.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was Jasmine mir befohlen hatte. Sonst würde mich der Pirscher – ob nun real oder Illusion – in Stücke reißen. Und ich wollte wirklich auf keinen Fall, dass das geschah. Also ging ich eine Regalreihe entlang, bog um die Ecke und trat in den offenen Hauptteil der Bibliothek.
    Morgan stand zu meiner Linken an genau der Stelle, an der früher der Schaukasten mit der Schale der Tränen gestanden hatte. Das Artefakt, das angeblich gestohlen worden war – in der Nacht, als Jasmine angeblich gestorben war.
    Jetzt hielt Morgan die Schale in den Händen.
    Sie sah genauso aus wie in meiner Erinnerung. Klein, rund, braun, unscheinbar. Eine einfache Schale, unbemalt, ohne Gravuren oder irgendwelche Extras. Kein Gold, keine Juwelen, gar nichts. Trotzdem sorgte allein ihr Anblick heute Abend dafür, dass sich mein Magen verkrampfte. Ich musste Dinge nicht immer anfassen, um Schwingungen von ihnen zu empfangen. Wenn ein Objekt mit genug Emotionen aufgeladen war oder genügend Erinnerungen darin steckten, dann konnte es diese Schwingungen auch ausstrahlen wie eine Aura. Wie Daphne und ihre funkensprühenden Fingerspitzen.
    Und heute Nacht strahlte die Schale kalte, schwarze Boshaftigkeit aus.
    »Stopp«, sagte Jasmine.
    Der Pirscher fauchte, wie um ihren Befehl zu unterstreichen.
    Ich blieb neben einem der Lerntische stehen. Auf der Ecke lag ein Stapel Bücher. Es waren diejenigen, mit denen Nickamedes heute zwischen den Regalen hervorgekommen war. Der Bibliothekar hatte sie nicht weggeräumt, aus welchem Grund auch immer. Ich lehnte mich gegen den Tisch, legte beiläufig die Hand auf den obersten Band und spürte dieselben Schwingungen, die ich immer von Bibliotheksbüchern empfing – das Gefühl von altem Wissen. Es war nicht viel, und es war sicherlich keine richtige Waffe, aber zumindest hatte ich irgendetwas in der Hand. Im Moment gab ich mich wirklich mit wenig zufrieden, aber als Allererstes wollte ich eine Erklärung.
    »Also hast du das Ganze nur vorgespielt«, sagte ich und drehte mich zu Jasmine um. »Der Diebstahl der Schale, deine Leiche, diese riesige Blutlache. Das war alles nur eine Illusion, richtig?«
    »Na also«, meinte Jasmine. »Die Gypsy hat ja doch ein Hirn. Du hast natürlich recht. Ich habe alles getürkt, was du an diesem Abend gesehen hast, und seitdem noch eine Menge mehr.«
    Jasmine ging an mir vorbei zu Morgan, die immer noch ausdruckslos ins Leere starrte. Der Pirscher

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