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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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selbst einstehen. Dasselbe können wir von dir wohl kaum behaupten, nicht wahr?«
    »Oh, ich weiß nicht«, sagte ich langsam. »Ich glaube, ich mache mich gar nicht schlecht. Schließlich ist es dir immer noch nicht gelungen, mich umzubringen. Ziemlich übles Versagen deinerseits, oder? Besonders da ich doch so schwach und jämmerlich hilflos bin. Was stimmt nur nicht mit dir, wenn du es nicht mal schaffst, eine kleine Streberin umzubringen, Viv? Bist du nicht angeblich eine große Kriegerin mit mächtiger Magie? Ich wette, Loki ist nicht allzu glücklich darüber, dass sein Champion nicht mal einen so einfachen Befehl ausführen kann. Wer weiß? Wenn du weiterhin so grottenschlecht bleibst, beschließt er vielleicht, sich einen neuen Champion zu suchen. Vielleicht nimmt er dir sogar deine telepathische Magie weg. Wäre das nicht schrecklich erniedrigend für dich?«
    Ihre goldenen Augen blitzten auf, und dieser unheimliche, schnitterrote Funke brannte ein wenig heißer und heller. Sie packte die Zügel des Schwarzen Rocks fester, als denke sie darüber nach, die Kreatur anzutreiben, bis sie mich rammte. Einen Moment später entspannte Vivian sich wieder, doch ich wusste, dass ich sie wütend gemacht hatte. Gut. Ich hatte vor, sie noch viel wütender zu machen – bevor ich sie tötete.
    Trotzdem konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass Vivian ihre Falle bereits hatte zuschnappen lassen – und dass sich jeden Moment ihre Zähne in unsere Kehlen bohren würden wie das Tellereisen in das Fleisch des kleinen Greifs. Wieder ließ ich den Blick durch die Ruinen gleiten, doch ich konnte niemanden entdecken, und das Einzige, was ich hörte, war das Pfeifen des Windes in den zerstörten Gebäuden.
    Vivian schnallte sich aus dem Geschirr ab, glitt auf den Boden und zog ihr Schwert aus der Scheide, die auf dem Rücken des Rocks befestigt war. Sie trat vor den Vogel und hielt ihr Schwert so, dass das Heft sichtbar war. Einen Moment später trat ich neben Alexei und tat dasselbe mit Vic.
    »Lucretia«, zischte Vic.
    Ein schnitterrotes Auge öffnete sich im Heft von Vivians Schwert und erwiderte seine bösen Blicke. »Vic«, schnurrte Lucretia mit einer tiefen Frauenstimme. »Schön, dich wiederzusehen. Obwohl du so stumpf und angelaufen aussiehst. Aber du kommst auch langsam in die Jahre, nicht wahr?«
    »Stumpf? Stumpf und angelaufen? Also … Also du …« Vic war so wütend, dass er nur noch stammeln konnte.
    Lucretia lachte über seine Wut, und ihr dunkles Glucksen passte zu Vivians gemeinem Lachen.
    Als sie endlich beide aufhörten zu lachen, sah ich wieder Vivian an. »Was willst du? Worum geht es hier?«
    Vivian verzog wieder schmollend den Mund. »Kommst du jetzt schon zur Sache, Gwen? Nun, wenn du lieber früher als später stirbst, für mich ist das in Ordnung.«
    Sie packte das Heft ihres Schwertes, dann riss sie Lucretia hoch in die Luft. Ich spannte mich an, während ich mich fragte, was sie da tat. Schon eine Sekunde später erhielt ich meine Antwort: Ein zweiter Schwarzer Rock stieß aus dem Himmel herab.
    Er landete neben Vivians Vogel. Auch dieses Tier wurde von jemandem geritten, den ich gut kannte – Agrona Quinn.
    Sie sah genauso aus wie in meinen Albträumen – seidiges blondes Haar, gebräunte Haut, leuchtend grüne Augen. Sie trug eine lange, schwarze Robe, die im Wind flatterte und damit den Blick auf den silbernen Skianzug und die Stiefel darunter freigab. Trotz der Kälte trug sie keine Handschuhe, und an ihrer linken Hand blitzte genau wie in meinen Träumen ein Ring. Sie musste weitere der Apate-Juwelen tragen, die sie aus der Bibliothek der Altertümer gestohlen hatte. Juwelen wie die, die sie eingesetzt hatte, um Logan zu kontrollieren und gegen mich aufzuhetzen.
    Doch besonders faszinierte mich ihre rechte Hand. Sie wirkte fast wie eine der gebogenen Klauen des Rocks. Agronas Finger waren purpurn angeschwollen und in unmöglichen Winkeln verbogen. Sie bemerkte meinen Blick, zog eine finstere Grimasse und senkte die Hand, bis ich ihre Verwundung nicht mehr sehen konnte.
    Ich runzelte die Stirn, während ich mich fragte, was mit der Hand nicht stimmte. Dann fiel es mir ein – ich hatte ihr das angetan.
    Während des Kampfes im Aoide-Auditorium hatte ich Vic eingesetzt, um auf Agronas Hand einzuschlagen, weil ich den herzförmigen Apate-Rubin zerstören wollte, den sie als Ring getragen hatte. Anscheinend war diese Verletzung nie wieder ganz verheilt. Vielleicht weil ich ihr die Finger

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