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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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ihn zu retten. Das war einer der schlimmsten Momente meines Lebens gewesen. Und jetzt war Logan weg, und das tat ebenfalls weh. Denn dieses Mal war er aus freiem Willen verschwunden und nicht wegen irgendwelchem Hokuspokus, den die Schnitter gewirkt hatten. Er war verschwunden, weil er es so wollte, und hatte mich mit nichts als Albträumen zurückgelassen.
    Rachel schenkte mir ein schwaches Lächeln. »Traurig, oder? Doch es ist wahr. Liebe kann manchmal unglaublich wehtun.«
    Ich sagte nichts mehr. Es gab nichts mehr zu sagen. Wir waren alle von den Schnittern verletzt worden, manche von uns mehr als andere. Jeder von uns musste auf seine eigene Weise damit umgehen. Trotzdem rutschte ich ein wenig näher an Rachel heran und blieb an ihrer Seite, bis die anderen ihre Trainingskämpfe beendet hatten und sich uns wieder anschlossen.
    Es wurde kälter und dunkler, als die Sonne unterging und die Stunden langsam verstrichen. Alle anderen kuschelten sich in ihre Schlafsäcke, doch anders als sie war ich zu nervös, um zu schlafen. Also saß ich so nah wie nur irgendwie möglich an den flackernden Flammen des Lagerfeuers. Ich hatte angeboten, Wache zu halten, damit die anderen mal die Augen schließen konnten. Wir hatten keinen Hinweis auf Schnitter entdeckt, doch das bedeutete nicht, dass sie sich nicht irgendwo hier versteckt hielten und auf den richtigen Moment zum Angriff warteten. Außerdem hielt ich die Augen nach dem Babygreif und dem mysteriösen Schatten offen. Doch falls sie in der Gegend waren, blieben sie genauso unsichtbar wie die Schnitter.
    Schließlich piepte um Viertel vor zwölf mein Handy, um mich daran zu erinnern, dass es Zeit war, die anderen zu wecken. Alle stöhnten und moserten ein wenig, doch sie standen auf. Wir holten Taschenlampen aus unseren Rucksäcken, schalteten sie ein und wanderten in den hinteren Teil des Hofes.
    Die Ambrosia-Blüten sah genauso aus wie am Nachmittag – ein winziger Bereich voller weißer Blüten, die aus einer Steinwand wuchsen.
    »Sind Sie sich sicher, dass wir sie um Mitternacht pflücken müssen?«, fragte ich.
    »So hat es Metis gesagt«, antwortete Ajax. »Um Mitternacht, vorzugsweise in einer frostigen Winternacht.«
    »Nun, zumindest den Frost haben wir«, murmelte ich.
    Die Temperatur war seit dem Abend stetig gefallen. Je tiefer das Thermometer sank, desto mehr Raureif sammelte sich auf den Steinen und eingestürzten Mauern. Inzwischen sah der gesamte Hof aus, als läge er unter einer silbernen Decke – kalt und wunderschön –, obwohl die Blumen von den wachsenden Eiskristallen seltsam unberührt blieben.
    Wir warteten, während die Minuten langsam vergingen. Unser Atem dampfte in der Luft und fiel dann in Eiskristallen zu Boden. Für eine ganze Weile passierte mit den Ambrosia-Blüten gar nichts, abgesehen davon, dass sie wie wir in der Kälte zitterten.
    »Eine Minute vor Mitternacht«, verkündete Oliver, der auf sein Handy spähte. Das weiße Licht des Displays ließ sein Gesicht wirken wie das eines Geistes.
    Wir alle starrten die Blüten an und warteten auf eine Veränderung, auf irgendein Anzeichen, dass sie tun würden, was sie tun sollten … was Nickamedes brauchte.
    Und langsam – sehr, sehr langsam – wuchsen die Blüten.
    Zuerst dachte ich, ich würde es mir nur einbilden. Doch dann blinzelte ich und blinzelte wieder und verstand, dass sie sich tatsächlich … bewegten.
    Drei kleine, einzelne Blüten schienen aufeinander zuzustreben, als würden die Blütenblätter irgendwie von dem silbernen Leuchten des Mondes hoch am Himmel zusammengezogen.
    »Seht ihr das auch?«, fragte ich.
    »Schhhh«, machte Oliver. »Du zerstörst die Stimmung.«
    Ich rammte ihm den Ellbogen in die Seite, und er grinste. Dann richteten wir beide den Blick wieder auf die Blüten.
    Sobald die Blütenblätter der drei Blumen sich berührten, schienen sie gleichzeitig zu verwelken, als könnten sie es nicht ertragen, sich so nahe zu sein. Ich schnappte nach Luft und fragte mich, ob etwas schieflief, ob sie vielleicht nicht blühen würden, weil wir hier herumstanden und sie so dringend brauchten. Doch sobald die Blüten verwelkt waren, erschien ein silbernes Brennen in ihrer Mitte, und die purpurgrauen Streifen auf den Blütenblättern explodierten in kalten Flammen. Für einen Moment verbanden sich die Farben zu einer hellen Mischung aus Silber, Purpur und Grau, die heller und heller wurde, bis ich die Augen schließen und den Kopf von dem intensiven Licht

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