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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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abwenden musste. Dann, so schnell wie es begonnen hatte, verblassten die Farben und das Licht.
    Ich öffnete die Augen – und war erstaunt über das, was vor mir lag.
    Irgendwie hatten sich die drei kleinen Kelche zu einer großen, wunderschönen Blüte verbunden. Die Blütenblätter schimmerten jetzt silbern und glänzten ein wenig metallisch. Fast konnte man meinen, sie würden klingen wie eine Glocke, wenn man sie mit dem Fingernagel anschlug. Weiß, Purpur und Grau zogen sich jetzt auch außen über die Blütenblätter, die Farben so dicht beieinander, dass sie einen breiten Streifen bildeten. Es war fast das Schönste, was ich je gesehen hatte.
    Für mehrere Augenblicke schwiegen wir alle.
    »Das ist unglaublich«, flüsterte Daphne schließlich.
    »Das ist es«, sagte Covington in einem seltsamen, fast neiderfüllten Tonfall. »Das ist es.«
    Wieder verfielen wir in Schweigen.
    »Nun«, sagte ich dann, trat vor und zog die Blüte – mit der Ranke und allem daran – vorsichtig von der Steinmauer und aus dem Schnabel des Greifs. »Mir ist egal, wie schön sie ist. Wichtig ist nur, dass sie getan hat, was sie tun sollte. Jetzt können wir sie benutzen, um Nickamedes zu helfen.«
    »Natürlich«, meinte Covington. »Natürlich.«
    Vorsichtig schob ich die Ambrosia-Pflanze in eine lange, schmale Plastikröhre, die Ajax gestern von seinem Einkaufstrip mitgebracht hatte. Ich konnte nur hoffen, dass die Röhre die Blume schützen würde, damit wir sie in einem Stück an die Akademie zurückbringen konnten.
    »Und jetzt?«, fragte Rory.
    »Jetzt schlafen wir«, brummte Ajax. »Es war ein langer Tag, und morgen früh müssen wir wieder absteigen.«
    Damit gingen wir alle zum Lager zurück. Ajax legte genug Holz aufs Feuer, dass es die Nacht über brennen würde, während alle anderen in ihre Zelte und Schlafsäcke krochen.
    Eine halbe Stunde später lag ich mit Daphne im Zelt. Rachel und Rory würden später auch hier schlafen, nachdem sie ihre Wache hinter sich hatten. Ich rutschte der Wärme wegen näher an Daphne heran, obwohl sie bereits schnarchte. Ab und zu entkam ein pinkfarbener Magiefunken ihrem Schlafsack und sauste wie ein Glühwürmchen durch die Luft, bevor er erstarb.
    Ich zog den Reißverschluss meines Schlafsacks nach oben und stellte sicher, dass eine Hand auf Vics Heft lag und die andere um die Röhre mit der Ambrosia-Blüte geschlossen war. Das Schwert öffnete sein Auge und musterte mich ernst. Vic war heute sehr still gewesen, und wir hatten uns nicht groß unterhalten, aber ich wusste, dass er sich für die Kämpfe ausruhte, die sicherlich kommen würden. Das Schwert hatte verstanden, dass der gefährlichste Teil der Reise noch vor uns lag – der Abstieg vom Berg, der auch beinhaltete, jede Falle zu überleben, die die Schnitter uns gestellt hatten.
    »Mach dir keine Sorgen, Gwen«, sagte Vic. »Schlaf ruhig. Ich passe auf. Heute Nacht werden sich keine Schnitter an dich heranschleichen. Das verspreche ich.«
    »Okay, Vic«, murmelte ich. »Ich überlasse das dir.«
    Damit schloss ich die Augen und ließ mich von der Schwärze des Schlafes übermannen.

Die Kälte weckte mich.
    Irgendwann in der Nacht war ich nach oben aus meinem Schlafsack gerutscht, und kühle Luft kroch über meinen Nacken wie ein eisiger Finger. Ich zitterte und kroch wieder tiefer nach unten in die warme Kuhle, bis meine eigene Körperwärme gepaart mit dem seidigen Stoff die schlimmste Kälte vertrieben hatte. Es war sehr früh, und Daphne, Rory und Rachel schliefen noch neben mir, doch ich sah, dass es draußen schon heller wurde. Die Sonne musste bald aufgehen. Mit ein wenig Glück würden wir gegen Mittag die Akademie erreichen, um schon am Abend wieder in North Carolina zu landen.
    Ich lag eine Weile eingekuschelt in meinem Schlafsack, doch schon bald wachten auch die anderen auf. Eine halbe Stunde später standen wir alle ums Feuer versammelt, das über Nacht zur Glut heruntergebrannt war. Wir waren alle noch sehr verschlafen, also war niemandem nach Reden zumute. Stattdessen tranken wir alle etwas und gruben in unseren Rucksäcken nach etwas Essbarem. Ich entschied mich wieder für eine Packung Studentenfutter. Die getrockneten Früchte mit Schokolade, Hafermehl und Nüssen schmeckten heute nicht mehr ganz so gut wie gestern, aber die Nahrung hielt meinen Magen davon ab, allzu sehr zu knurren.
    Sobald wir alle mehr oder minder wach und satt waren, stellten wir sicher, dass das Feuer ganz verloschen war, bauten unsere

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