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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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sich versteckt. Bislang hatten sie noch nie einen Besitzer der Autos gesehen, die sie beschädigt hatten, das machte die Sache natürlich wesentlich spannender. Sie warteten darauf, dass die Frau zurückkam, um ihre Reaktion zu beobachten, wenn sie die Kratzer bemerkte. Kurze Zeit später stürzte sie aus dem Haus und riss die Autotür auf, hielt aber abrupt inne, als sie die lange Kratzspur sah. Sie bückte sich, um sie näher in Augenschein zu nehmen. Dann sah sie sich um, ging auf den Parkplatz und spähte in alle Richtungen, bevor sie gehetzt auf die Uhr schaute und losfuhr.
    Das Schnitzmesser, das im Recycling-Center gefunden worden war, lag in einer Schachtel im Verhörraum, und Doddi identifizierte es sofort. Der Gerichtsmediziner war der Ansicht, dass es sich durchaus um das Objekt handeln könnte, das bei dem Überfall auf Elías verwendet worden war.
    Elínborg befand sich mit Anton in einem anderen Verhörraum. Die Aussagen der beiden stimmten in den wesentlichen Punkten überein. Doddi hatte das Messer gestohlen, und meistens ging die Initiative von ihm aus, wenn sie ihrer Zerstörungswut freien Lauf ließen.
    »Aber wie ist das Messer in den Müllcontainer gekommen?«, fragte Elínborg Anton, der sehr bereitwillig redete, seitdem man ihn ins Dezernat gebracht hatte.
    »Keine Ahnung«, sagte Anton.
    »Hast du es dazu verwendet, Elías anzugreifen?«
    »Nein«, sagte Anton, »ich habe ihm nichts getan.«
    »Weswegen hast du das Messer weggeworfen?«
    »Hab ich nicht gemacht.«
    »Aber Doddi, dein Freund?«
    »Keine Ahnung. Er hat das Messer zuletzt gehabt.«
    »Er behauptet, du hättest es gehabt.«
    »Das ist gelogen.«
    »Hast du gewusst, dass dieses Messer dazu verwendet wurde, Elías zu töten?«
    »Nein.«
    »Kennst du Elías’ Bruder Niran?«
    »Nein, überhaupt nicht. Klar, er ist an der Schule, aber ich kenne ihn gar nicht.«
    Im anderen Verhörraum wurde Doddi mit ähnlichen Fragen bombardiert. Er behauptete, Anton habe das Messer zuletzt gehabt.
    »Wie lange ist es her, dass du das Messer aus dem Werkraum entwendet hast?«, fragte Sigurður Óli.
    »Zehn Tage oder so …« Doddi überlegte. »Ja, irgendwie so was. Gleich nach den Weihnachtsferien.«
    »Wo hast du es zuletzt gesehen?«
    »Anton ist damit nach Hause gegangen.«
    »Er sagt, dass du es gehabt hättest.«
    »Er lügt.«
    »Du weißt, wer Elías war?«
    »Ja.«
    »Hast du ihn gekannt?«
    »Nein, kein bisschen.«
    »Hast du ihn erstochen?«
    »Nein.«
    »Hast du ihn mit dem Messer erstochen, das du aus dem Werkraum gestohlen hast?«
    »Nein, ich hab gar nix gemacht.«
    »Weswegen hast du den Lack an den Autos beschädigt?«
    »Nur so.«
    »Nur so?«
    »Weil sonst nix los war.«
    In dem anderen Raum schaute Elínborg Anton lange und eingehend an, ohne etwas zu sagen. Zum Schluss stand sie auf. Sie hatte zu lange gesessen und spürte das am ganzen Körper. Sie lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme.
    »Wo bist du gewesen, als Elías überfallen wurde?«, fragte sie.
    Auf diese Frage konnte Anton keine klare Antwort geben. Zunächst erklärte er, in der Schule gewesen und von da aus direkt nach Hause gegangen zu sein. Später erinnerte er sich plötzlich, dass er mit Doddi in einen Laden mit Computerspielen gegangen war.
    »Ihr werdet des Mordes an Elías angeklagt«, sagte sie. »Ihr hattet das Messer, ihr habt ihn umgebracht.«
    »Ich hab nichts gemacht«, sagte Anton.
    »Und dein Freund?«
    »Bestimmt auch nicht.«
    »Was hältst du von Zuwanderern, von Leuten mit anderer Hautfarbe?«
    »Weiß nicht.«
    Als Sigurður Óli Doddi eine ähnliche Frage stellte, zögerte der Junge. Sigurður Óli wiederholte die Frage, aber Doddi sah ihn nur an, ohne zu antworten. Sigurður Óli fragte ein drittes Mal.
    »Keine Ahnung«, gab Doddi schließlich zur Antwort, »hab noch nie drüber nachgedacht.«
    »Bist du schon mal auf Ausländerkinder losgegangen?«
    »Nein, nie«, erklärte Doddi.
    Weder er noch Anton waren je mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Antons Mutter war eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern. Sie hatte einen schlecht bezahlten Job und musste sich sehr abrackern. Antons Halbbruder war drei Jahre alt. Seinen Vater traf er einmal im Monat, aber immer nur kurz. Doddi hatte insgesamt drei Geschwister. Sein Vater kümmerte sich wenig um ihn, er war nach Doddis Angaben Vorarbeiter im Kárahnjúkar-Kraftwerk.
    »Weshalb bist du über Elías hergefallen?«, fragte Sigurður Óli.
    »Das hab ich doch gar nicht

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