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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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getan.«
    »Gegen euch wird Anklage erhoben wegen dem Mord an Elías«, erklärte Sigurður Óli. »Uns bleibt nichts anderes übrig.«
    Doddi starrte ihn an. Seiner Miene nach zu urteilen, wusste er ganz genau, worüber Sigurður Óli redete. Er hielt sich wacker. Sigurður Óli hatte unzählige Male Jugendliche verhört, denen alles scheißegal war, die ausfällig wurden und sogar Drohungen ausstießen. Er hatte das Gefühl, dass Doddi von anderem Kaliber und noch nicht so abgebrüht war. Die Beschädigungen an den Autos waren Dummejungenstreiche, aber nicht mehr, zumindest im Augenblick noch nicht.
    »Er hat das Messer verschenkt«, sagt Doddi.
    »Verschenkt?«
    »Ich hab’s geklaut, aber Anton hat es zuletzt gehabt und verschenkt. Ich hatte keine Ahnung, dass der Mord damit begangen worden ist. Er bestimmt auch nicht.«
    Elínborg stand immer noch mit verschränkten Armen an der Wand, als Sigurður Óli das Verhörzimmer betrat. Er nahm Anton gegenüber Platz und sah den Jungen lange Zeit an, ohne etwas zu sagen. Elínborg hielt sich ebenfalls zurück. Anton rutschte sichtlich unruhig auf seinem Stuhl hin und her, und seine Blicke irrten von Sigurður Óli zu Elínborg. Ihm war nicht wohl in seiner Haut.
    »Kennst du einen Jungen, der Hallur heißt?«, fragte Sigurður Óli.
    Kurze Zeit später verließ Elínborg das Verhörzimmer, und im gleichen Augenblick klingelte ihr Handy. Sie brauchte eine Weile, bis ihr klar wurde, wer am anderen Ende der Leitung war, aber zum Schluss sah sie die farbenfrohe Krawatte des Öffentlichkeitsbeauftragten der Versicherung vor sich, von der aus Sunee mehrere Anrufe erhalten hatte.
    »Das hat mich jede Menge Recherchen gekostet«, erklärte der Referent in ernstem Ton.
    »Tatsächlich?«, entgegnete Elínborg.
    »Ja. Ich habe mich mit etlichen Leuten hier in der Firma unterhalten, selbstverständlich alles streng vertraulich, und meiner Meinung nach hat niemand hier eine Verbindung zu dieser Frau.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein. Jedenfalls nicht offiziell.«
    »Aber inoffiziell?«
    »Ja, man munkelt hier etwas über einen bestimmten Mann.«
    »Und?«
    »Ich kenne ihn nicht. Er arbeitet seit Jahren in der Schadensabteilung, geht auf die fünfzig zu. Sie sagen, dass er was mit einer Asiatin hat.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Kundenberaterinnen. Eine von denen hat ihn vor einem Monat mit so einer Frau in einem Lokal gesehen.«
    »Mit so einer Frau?«
    »Vielleicht eine Thailänderin.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    »Gut. Wie heißt er?«
    »Die wollen wissen, ob es etwas mit der Mutter des Jungen zu tun hat, der tot ist.«
    »Sag ihnen, dass sie das gar nichts angeht!«

Sechsundzwanzig
    Erlendur fuhr langsam an dem Haus vorbei, hielt einige Häuser weiter und stieg aus dem Auto. Er ging ohne Hast auf dem Bürgersteig zurück und sah sich alles genau an. Seine Blicke schweiften über den Stýrimannastígur und das große Holzhaus, das einmal eine Navigationsschule gewesen war. Der Angestellte der Versicherungsfirma lebte in einem gepflegten Holzhaus, das mit Wellblech verkleidet war. Von seinem Beobachtungsposten draußen in der Kälte hatte Erlendur den Eindruck, dass es liebevoll restauriert und instand gesetzt worden war. Hinter zwei Fenstern brannte Licht. Nicht viele Menschen waren auf der Straße unterwegs, und Erlendur befürchtete, dass es auffallen würde, wenn er hier auf und ab liefe. Er wollte die Sache vorsichtig angehen.
    Es ging bereits auf den Abend zu. Wieder hatten stürmische Schneeschauer eingesetzt, und laut der Vorhersage konnte jeden Augenblick ein regelrechter Blizzard hereinbrechen. Im Rundfunk wurden die Leute darauf hingewiesen, keine losen Gegenstände draußen herumliegen zu lassen und möglichst im Haus zu bleiben. Auf dem Land waren die Straßen wegen des Unwetters, das sich jetzt der Stadt näherte, bereits unpassierbar.
    Erlendur überlegte immer noch, wer die Frau war, die ihn angerufen hatte, und was sie von ihm gewollt hatte. Er kam zu keinem Ergebnis und konnte nur hoffen, dass sie sich noch einmal mit ihm in Verbindung setzen und ihm eine Chance geben würde, er war sich aber darüber im Klaren, dass die Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich groß war. Er wusste aber, wie er zu reagieren hatte, falls sie wider Erwarten noch einmal anrufen würde.
    Im gleichen Augenblick, als er die Straße überqueren wollte, öffnete sich die Kellertür des Hauses, und ein menschliches Wesen trat heraus. Die Person war schmächtig, und Erlendur

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