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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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wollte es so haben. Ich versuche, ihr zu helfen.«
    »Wo Niran sein?«, fragte Virote.
    »Niran ist verschwunden«, antwortete Jóhann.
    »Weißt du, wo er hin ist?«, fragte Erlendur.
    »Nein.«
    »Vielleicht zu seiner Mutter?«, fragte Erlendur.
    »Nein, ich habe Sunee angerufen. Sie macht sich große Sorgen.«
    »Wohin kann er gegangen sein?«
    »Schwer zu sagen. Er war heute irgendwie unruhiger als sonst. Es geht ihm nicht gut. Er hat das Gefühl, dass er besser auf Elías hätte aufpassen müssen.«
    »Wann ist er gegangen?«
    »Ich habe nicht gehört, dass er das Haus verlassen hat.«
    Jóhann führte Erlendur in die Küche.
    »Es ist aber höchstens fünfzehn oder zwanzig Minuten her. Ich musste kurz ins Geschäft, und als ich zurückkam, war er verschwunden.«
    Jóhann sah besorgt aus. Er hatte blonde Haare und einen gepflegten Bart, über den er sich ständig strich. Er war schlank und von mittlerer Größe und trug ein Jeanshemd und eine schwarze Hose.
    »Ich habe auf der Arbeit erfahren, dass ihr Erkundigungen über mich eingezogen habt«, sagte er.
    »Sunee und du, ihr müsst euch schon eine ganze Weile kennen, sonst hätte sie Niran dir nicht anvertraut.«
    »Ja, gut neun Monate.«
    »Aber ihr habt es geheim gehalten.«
    »Nein, ich weiß nicht, ob man geheim halten sagen kann. Wir wollte bloß nichts übereilen. Ich bin seit vier Jahren geschieden und habe seitdem allein gelebt. Sunee ist die erste Frau, die ich nach der Scheidung kennengelernt habe, bei der ich mich wirklich wohlfühle. Sie ist eine außergewöhnliche Frau.«
    »Habt ihr vor zusammenzuziehen?«
    »Wir haben darüber gesprochen, dass wir vielleicht im Sommer zusammenziehen.«
    »Du hast sie besucht?«
    »Ja, einige Male. Ich kann immer noch nicht fassen, was mit ihrem Sohn passiert ist. Ich habe es erst einen Tag später erfahren. Ich war nämlich auf einer Dienstreise in den Westfjorden und habe keine Nachrichten gesehen. Die Leute redeten über den Mord, und ich musste sofort an Sunee denken. Und dann hat mich Virote von seinem Handy aus angerufen, und Sunee sagte mir, was geschehen ist. Sie sagte mir auch, dass Niran unter Schock stünde und schlimm dran sei, und sie fragte, ob ich ihn ein paar Tage bei mir aufnehmen könne. Er hatte Angst und war verstört, was nicht verwunderlich ist, und sie war besorgt, dass ihm auch etwas passieren könnte oder dass er etwas Verrücktes tun könnte. Als ich mittags nach Reykjavík zurückkam, standen die beiden schon bei mir vor der Tür. Der Junge sah furchtbar aus, er war am Boden zerstört. Sunee bat mich, auf ihn aufzupassen. Ich konnte mich nicht weigern, das für sie zu tun, und es war nicht möglich, mit ihr darüber zu diskutieren. Es musste einfach etwas getan werden.«
    Jóhann blickte Erlendur ins Gesicht.
    »Niran hatte keine ablehnende Haltung mir gegenüber, wie Sunee befürchtet hatte«, sagte er. »Zu Elías hatte ich sofort eine gute Verbindung, und sie machte sich mehr Sorgen wegen Niran, falls wir zusammenziehen würden. Niran war überhaupt nicht von vornherein negativ eingestellt. Vielleicht auch nicht sehr positiv, aber er hat nichts gegen mich gehabt. Die wenigen Male, die ich bei ihnen war, hat er kaum Notiz von mir genommen. Über Fußball konnte ich aber ein bisschen mit ihm reden. Ich hatte vor, ihnen einen Computer zu besorgen, damit sie ins Internet gehen können. Das hat ihn sehr interessiert.«
    »Und ihr habt über Fußball geredet?«
    »Wir sind beide für dieselbe englische Mannschaft«, sagte Jóhann achselzuckend.
    »Dir ist nicht eingefallen, dich mit uns in Verbindung zu setzen?«
    »Nein, ich habe es für Sunee getan, für sie und mich und für Niran.«
    »Dir ist es nicht in den Sinn gekommen, dass sie etwas zu verbergen haben könnten?«
    »Niran wäre nie imstande gewesen, Elías etwas anzutun, die Idee ist völlig abwegig. Das hättest du auch gewusst, wenn du sie zusammen erlebt hättest. Sie hatten ein ganz besonders gutes Verhältnis zueinander, und deswegen hat Niran auch so heftig reagiert. Sie haben zusammen gespielt, und Niran hat ihm abends aus thailändischen Zeitungen und Büchern vorgelesen. Ich hab oft zu Sunee gesagt, dass ich mir immer so einen netten großen Bruder gewünscht habe, als ich klein war.«
    »Wie hast du Sunee kennengelernt?«
    »In einem Tanzlokal. Sie war mit ein paar Freundinnen aus der Süßwarenfabrik ausgegangen, wir hatten in der Firma Betriebsfest gehabt. Ich kannte sie überhaupt nicht, aber sie hat mich zum Tanzen

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