Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
Vom Netzwerk:
aufgefordert, und dann haben wir zusammen getanzt und uns unterhalten. Sie hat von Thailand erzählt. Zwei Tage später habe ich mich wieder bei ihr gemeldet und gefragt, ob sie sich an mich erinnerte. Dann haben wir uns wieder getroffen. Sie war ganz geradeheraus in allem, was sie mir sagte, über ihre beiden Jungen, über ihren früheren Mann und über ihre Arbeit in der Süßwarenfabrik.«
    »Und was dann?«
    »Seitdem haben wir uns regelmäßig getroffen. Es ist … Sunee … Sie ist ein positiver Mensch, sie ist aufrichtig und fröhlich und sieht an allem immer die guten Seiten. Vielleicht ist das eine thailändische Eigenart, das weiß ich nicht. Und dann passiert dieses Grauenvolle.«
    »Du warst aber etwas zurückhaltend im Hinblick auf eure Verbindung?«
    »Das waren wir eigentlich beide. Wir wollten nichts Unüberlegtes tun, und ich gebe auch offen zu, dass ich Zeit zum Nachdenken brauchte. Es war so neu für mich und so unerwartet.«
    »Du hast an der Arbeit also niemandem davon erzählt?«
    »Nur meinen besten Freunden und vor kurzer Zeit auch meiner Familie, und zwar nachdem Sunee und ich beschlossen hatten, zusammenzuziehen. Aber der Klatsch war wohl schon in vollem Gange, denn ihr habt nicht lange gebraucht, um mich aufzuspüren. Ich habe Sunee gebeten, mich zu heiraten. Wir haben schon überlegt, in diesem Sommer zu heiraten, aber ich weiß nicht … Jetzt, wo das passiert ist.«
    »Hast du eine Vorstellung, wohin Niran gegangen sein kann?«
    »Nein. Wie gesagt, er war heute den ganzen Tag sehr unruhig.«
    »Hat er über jemand Bestimmtes gesprochen? Vielleicht über einen oder mehrere, die er verdächtigt, die Tat begangen zu haben?«
    Jóhann sah Erlendur an. »Er hat von Rache geredet. Er war mit einem Lehrer an der Schule aneinandergeraten, der ihm gedroht hatte. Niran wollte nicht damit herausrücken, wer es war, aber das war einer der Gründe, warum Sunee ihn verstecken wollte. Sie hatte Angst um ihn. Jetzt ist er ihr einziges Kind.«
    In diesem Moment kam Virote mit einem Blatt Papier in der Hand in die Küche, das er Erlendur reichte.
    »Ich in Niran Zimmer finden«, sagte er.
    Es war eine Seite aus dem Telefonbuch, die Seite mit K, auf der Kjartan, der Isländischlehrer, stand.
    Erlendurs Handy klingelte in der Manteltasche. Er fischte es heraus und drückte auf die Antworttaste.
    »Hallo«, sagte er.
    »… entschuldige, aber das will er gar nicht. Es gibt keinen Anlass, sich zu beschweren …«, hörte er eine bekannte Stimme sagen, und dann drückte jemand auf die Abschalttaste.
    Erlendur blickte entgeistert auf den Apparat in seiner Hand. Er hatte die Stimme sofort erkannt, er hatte sie schon mehrmals gehört.
    Eine Frau unbestimmten Alters mit etwas heiserer Stimme, vielleicht, weil sie rauchte.
    Diese Stimme würde er nie vergessen können, sie verfolgte ihn im Schlaf wie im Wachen, weil er nicht gut genug zugehört hatte. In seiner Vorstellung war es die Stimme der schuldgequälten Frau gewesen, die ihren Ehemann verlassen hatte und an der Küste von Reykjanes tot aufgefunden worden war.

Achtundzwanzig
    Ágústs Mutter trat dazwischen und nahm das Handy entgegen, das Elínborg ihrem Mann hatte reichen wollen, damit er sich bei Erlendur beschweren konnte.
    Jetzt gab sie Elínborg den Apparat zurück und bat um Entschuldigung für ihren Mann. Es stünde ihm nicht zu, die Arbeit der Kriminalpolizei zu kritisieren, und erst recht nicht in so einem heiklen Fall.
    »Es ist völlig in Ordnung«, sagte sie. »Entschuldige, aber das will er gar nicht. Es gibt keinen Anlass, sich zu beschweren.«
    Elínborg nahm das Handy entgegen, beendete das Gespräch und ließ ihre Blicke zwischen den Eheleuten hin und her wandern. Dann steckte sie das Handy wieder in ihre Tasche. Kurze Zeit später klingelte es. Elínborg warf einen Blick auf das Display. Es war Erlendur.
    Komisch, dachte sie und drückte auf die Empfangstaste.
    Kjartan kam mit einem Taxi nach Hause, nachdem er den Abend mit einigen alten Kumpels in einer Kneipe in der Innenstadt verbracht hatte. Sie trafen sich manchmal, um sich das eine oder andere Bier zu genehmigen, und deswegen hatte er sein Auto zu Hause stehen lassen. Zu dritt hatten sie ein Taxi genommen, und er wurde als Letzter abgesetzt. Das Wetter war im Lauf des Abends in ein regelrechtes Unwetter ausgeartet, man sah die Hand vor Augen nicht mehr. Die Scheibenwischer des Taxis kamen kaum gegen den Flockenwirbel an, der gegen die Windschutzscheibe flog, und es fehlte nicht

Weitere Kostenlose Bücher