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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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hat mir einiges über Thailand erzählt, sie spricht eine ganz einfache Sprache. Das ist gut.«
    »Und was erzählt sie dir so?«
    »Ich habe sie einmal gefragt, was das Schwierigste daran sei, hier in Island zu leben oder von Thailand nach hier zu ziehen, und sie hat geantwortet, dass die isländische Gesellschaft ziemlich in sich geschlossen sei im Vergleich zur thailändischen, wo alles viel persönlicher und offener sei. Dort reden alle mit allen, und Leute, die sich überhaupt nicht kennen, diskutieren problemlos über alles Mögliche miteinander. Wenn man draußen auf dem Bürgersteig sitzt und etwas isst, hat man keine Hemmungen, einem Fremden etwas anzubieten.«
    »Das Wetter ist wohl auch etwas anders«, sagte Elínborg. »Ja. In diesem herrlichen Klima sind die Menschen ziemlich viel draußen. Wir hingegen leben den größten Teil des Jahres innerhalb unserer eigenen vier Wände und in unserer eigenen Welt. Hier trifft man überall auf verschlossene Türen, nimm hier nur diesen Treppenaufgang. Ich sage nicht, ob das gut oder schlecht ist, aber es ist anders, das sind zwei ganz verschiedene Welten. Wenn man Sunee kennenlernt, hat man das Gefühl, dass das Leben in Thailand viel geruhsamer und entspannter ist. Ob ich wohl zu ihr nach oben gehen kann?«
    »Du solltest vielleicht ein oder zwei Tage damit warten, sie weiß im Augenblick nicht, wo ihr der Kopf steht.«
    »Die arme Frau«, sagte Fanney. »Dann ist jetzt wohl nichts mehr mit
sanuk, sanuk

    »Was meinst du damit?«
    »Sie hat mir ein wenig Thailändisch beigebracht, wie
sanuk, sanuk
. Sie hat gesagt, es sei typisch für die Thailänder. Es bedeutet einfach, Spaß am Leben zu haben, etwas zu machen, was lustig und angenehm ist. Das Leben genießen! Sie hat mir auch das Begrüßungswort
bainai
beigebracht, aber das hat eine ganz andere Bedeutung.
Bainai
bedeutet nicht in unserem Sinne »Guten Tag«, sondern »Wohin des Wegs«, und ist gleichermaßen ein Gruß wie auch eine freundliche Frage. In dieser Frage verbirgt sich Wertschätzung. Thailänder haben Achtung vor ihren Mitmenschen.«
    »Ihr seid also ziemlich gut miteinander bekannt.«
    »Das kann man vielleicht so ausdrücken. Aber sie sagt mir nicht alles, die Gute.«
    »Was meinst du damit?«
    »Man sollte vielleicht so etwas nicht ausposaunen, aber …«
    »Aber was?«
    »Sie hat Besuch bekommen.«
    »Wir bekommen doch alle Besuche«, entgegnete Elínborg. »Ja, sicher. Nein, ich habe überlegt, ob da ein Freund im Spiel ist oder so etwas. Das ist so mein Gefühl.«
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Nein, aber ich hatte diesen Verdacht schon im letzten Sommer und jetzt auch wieder während des Winters. Das waren solche Besuche, du weißt, spätabends.«
    »Und sonst nichts?«
    »Nein, sonst nichts. Ich habe sie auch nie danach gefragt.«
    »Du meinst damit aber nicht ihren früheren Ehemann?«
    »Nein«, erklärte Fanney, »der kommt zu anderen Zeiten.« Elínborg bedankte sich bei ihr für die Hilfe und verabschiedete sich. Sie holte ihr Handy aus der Tasche, wählte eine Nummer und war bereits im Hausflur, als die Verbindung zu Sigurður Óli zustande kam. Sie informierte ihn über die Gruppe von Jungen bei der Apotheke.
    »Es könnten Schulkameraden gewesen sein«, sagte Elínborg, während sie rasch die paar Stufen hinunterging. »Er könnte zu Hause bei einem von denen sein. Sie schienen im gleichen Alter zu sein.«
    »Ich glaube, Erlendur versucht, eine Liste der Freunde der beiden Jungen zu bekommen«, sagte Sigurður Óli. »Ich bin auf dem Weg zur Klassenlehrerin des Jüngeren. Sie heißt Agnes. Ich werde sie nach der Apotheke fragen, ob sie weiß, was es damit auf sich hat. Vielleicht sollten wir uns auch mit den Leuten in der Apotheke in Verbindung setzen, um in Erfahrung zu bringen, ob die Jungen häufig da herumgehangen haben.«
    »Vielleicht hat sie noch offen«, sagte Elínborg. »Ich checke das.«
    Nachdem Sigurður Óli das Gespräch mit Elínborg beendet hatte, nahm er im Laufschritt die Stufen zum Eingang eines Dreifamilienhauses in der Nähe der Schule. Elías’ Lehrerin Agnes wohnte im ersten Stock und kam selber zur Tür. Er kannte sie von einem Bild, das er in der Schule gesehen hatte. Sie musterte Sigurður Óli in seinem dunklen Anzug, weißen Hemd und schwarzen Mantel, mit kurzen, korrekt geschnittenen Haaren und akkurat gebundenem Krawattenknoten eingehend und schnitt ihm das Wort ab, als er sich vorstellen wollte.
    »Nein, danke«, sagte sie lächelnd. »Ich glaube an

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