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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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keinen Gott«, erklärte sie und machte ihm die Tür vor der Nase zu.
    Sigurður Óli stand eine Weile verblüfft vor der Tür und klingelte dann noch einmal.
    »Du hast wohl noch nichts gehört, oder?«, sagte er ernst, als die Frau die Tür wieder öffnete.
    »Was gehört?«
    »Ich bin von der Kriminalpolizei. Einer von deinen Schülern ist vor seinem Haus tot aufgefunden worden. Es hat den Anschein, als sei er erstochen worden.«
    Die Miene der Frau war ein einziges Fragezeichen. »Was sagst du da«, sagte sie erschrocken, »erstochen? Wer?«
    »Elías«, sagte Sigurður Óli.
    »Elías?!«
    Sigurður Óli nickte.
    »Das glaube ich nicht! Wie denn? Warum denn? Was … was redest du da eigentlich?«
    »Darf ich vielleicht hereinkommen?«, fragte Sigurður Óli. »Wir brauchen Informationen über seine Klasse, seine Freunde und mit wem er Umgang hatte, ob er in der Schule Probleme hatte, ob er Feinde hatte. Es wäre hervorragend, wenn du uns weiterhelfen könntest. Wir stehen unter Zeitdruck. Je eher wir die Informationen erhalten, desto besser. Es ist mir sehr unangenehm, so bei dir hereinzuschneien, aber …«
    »Ich … ich habe geglaubt, du wärst von irgendeiner Sekte«, stöhnte Agnes. »Du siehst so …«
    »Könnten wir uns vielleicht einen Augenblick hinsetzen?«
    »Entschuldige«, sagte Agnes, »bitte sehr.«
    Sie öffnete die Tür für Sigurður Óli, der eintrat. Aus dem kleinen Flur mit Spiegel konnte er in die Küche sehen, wo die Familie beim Abendessen saß. Drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, sahen ihn neugierig an, und der Vater stand auf, um ihn zu begrüßen. Agnes nahm ihren Mann beiseite, erklärte ihm leise diesen unerwarteten Besuch und führte Sigurður Óli anschließend in das Arbeitszimmer der Eheleute.
    »Was ist mit dem Jungen passiert?«, fragte sie, nachdem sie die Tür hinter sich zugemacht hatte. »Ist er überfallen worden?«
    »Es sieht so aus.«
    »Großer Gott, das ist … Der arme Junge. Wer bringt so etwas fertig?«
    »Kannst du dir vorstellen, dass irgendjemand in der Schule oder in der Klasse ihm etwas Böses wollte?«
    »Ganz und gar nicht«, erklärte Agnes. »Elías war ein besonders lieber Junge, und meiner Meinung nach mochten ihn alle. Und er war ein guter Schüler. Warum willst du das mit der Schule in Verbindung bringen? Habt ihr da irgendwelche Hinweise?«
    »Nein, nichts«, antwortete Sigurður Óli unbeirrt. »Irgendwo müssen wir bloß anfangen. Du hast nicht bemerkt, dass er irgendwie gemobbt worden ist? Es ist nichts vorgefallen, was man mit diesem Angriff in Verbindung bringen könnte? Nichts, was dich beunruhigt hat?«
    »Gar nichts«, entgegnete Agnes. »In unserer Schule ist meines Wissens nichts vorgefallen, was dazu hätte führen können. Nichts.«
    Sie seufzte tief.
    »Hast du etwas von einer Gruppe Jungen gehört, die bei der Apotheke hier im Viertel herumlungern? Wahrscheinlich Freunde des Bruders, möglicherweise Zuwandererkinder?«
    »Nein, darüber habe ich nichts gehört. Wie geht es der Mutter? Die arme Frau. Ich muss sie besuchen. Ich weiß gar nicht, was ich ihr sagen soll.«
    »Soweit ich weiß, hält sie sich tapfer, den Umständen entsprechend«, sagte Sigurður Óli. »Kennst du sie, oder weißt du etwas über sie?«
    »Das kann man eigentlich nicht sagen«, erwiderte Agnes. »Sie hat Probleme mit dem Isländischen, und deswegen wurde immer eine weitere Person als Betreuerin für die Brüder hinzugezogen, eine sehr nette Frau, Guðný heißt sie. Das kommt gar nicht so selten vor, wenn wir besseren Kontakt zu den Schülern und ihren Eltern bekommen wollen. Sie stammen aus Kroatien, aus Vietnam, sie kommen von den Philippinen und aus Polen. Katholiken, Moslems und Hindus. Ich habe Elías’ Mutter ein paarmal getroffen, eine sehr liebenswürdige Frau. Es muss sehr schwierig für sie sein, dass sie völlig alleinstehend ist.«
    »Wie sind diese Zuwanderer integriert?«, fragte Sigurður Óli. »Schaffen sie es, sich anzupassen?«
    »Wir verwenden heutzutage lieber die Bezeichnung ›Kinder oder Leute mit Migrationshintergrund‹«, erklärte Agnes. »Einige brauchen länger als andere, um sich anzupassen. Am besten läuft es bei denen, die Isländisch verstehen und sprechen, die hier geboren sind, sie sind natürlich dann Isländer. Wie Elías. Mit Niran ist das eine andere Sache. Du weißt, dass sie Halbbrüder sind?«
    »Ja«, entgegnete Sigurður Óli. Erlendur hatte ihm mitgeteilt, was er von der Dolmetscherin erfahren hatte. »Was

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