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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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den Medien und in der Öffentlichkeit. Man warf der Kriminalpolizei dilettantisches Vorgehen vor. Sie hatte einen Kronzeugen entkommen lassen, oder, was noch schlimmer war, ihn wegen eigener Unfähigkeit zur Flucht veranlasst. Als dann noch der Verdacht aufkam, dass die Kriminalpolizei versucht hatte, diese Informationen geheim zu halten wie so vieles andere, was mit dieser Ermittlung zusammenhing, wurde heftig über die Informationspflicht und den Mangel an Kooperationswillen mit den Medien diskutiert.
    Erlendur hatte eine ausgesprochene Abneigung dagegen, Reporter und Journalisten über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen, wie es so schön hieß. Er hatte sich lange auf die Meinung versteift, dass die Ermittlungen der Kriminalpolizei die Medien nichts angingen und dass es deren Erfolg sogar abträglich sei, wenn man ständig Auskunft über den neuesten Stand geben müsse. Sigurður Óli teilte seine Ansicht jedoch ganz und gar nicht. Er hielt es für selbstverständlich, Informationen weiterzugeben, sofern sie die Ermittlungsinteressen nicht beeinträchtigten.
    »Ermittlungsinteressen?«, fragte Erlendur. »Wer erfindet solche Unwörter? Diese Leute können mich mal! Wir sollten keine verdammten Informationen weitergeben, bevor wir nicht selber wissen, was vorgefallen ist. Das bringt gar nichts.«
    Sie saßen zu dritt in seinem Büro. Für den Nachmittag war eine Pressekonferenz anberaumt worden, um den Medien entgegenzukommen, aber Erlendur hatte es abgelehnt, sich dort blicken zu lassen, was zu einigen Querelen zwischen ihm und seinen Vorgesetzten geführt hatte. Zum Schluss einigte man sich darauf, dass Sigurður Óli als Sprecher der Kriminalpolizei und Kontaktperson zu den Medien auftrat, zusammen mit dem Polizeipräsidenten. Erlendur fand es idiotisch, Kraft und Zeit mit so etwas zu vergeuden.
    Tags zuvor hatte Erlendur noch einmal mit Óðinn, Elías’ Vater, gesprochen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Niran verschwunden war und Sunee sich weigerte, sein Versteck preiszugeben. Erlendur fuhr zu ihm in seine Wohnung an der Snorrabraut. Óðinn hatte sich einige Tage freigenommen. Er hatte die Nacht offenbar nicht gut geschlafen, er wirkte ungepflegt und machte einen schlecht gelaunten Eindruck.
    Da Sunees ehemalige Schwiegermutter Sigríður sich ebenfalls freigenommen hatte, traf Sigurður Óli sie auch zu Hause an. Sie erklärte, auf dem Weg zu Sunee gewesen zu sein, als sie die Nachricht gehört hatte. Sie begreife nicht, was da vorging. Sie hatte Sunee angeboten, über Nacht bei ihr in der Wohnung zu bleiben, aber das hatte Sunee abgelehnt. Sigríður sagte, sie wisse nichts darüber, was Sunee unternommen habe, und habe auch keine Ahnung, was aus Niran geworden war. Sie versuchte, sich in Sunee hineinzuversetzen, um zu verstehen, weshalb sie so panisch reagierte. Als Sigurður Óli andeutete, dass sie womöglich etwas zu verbergen hätte, fand Sigríður das völlig aus der Luft gegriffen. Sie ging davon aus, dass Sunee ihren Sohn schützen wollte.
    Man hielt es für sehr wahrscheinlich, dass Sunee sich an jemanden von der thailändischen Gemeinschaft in Reykjavík gewendet hatte. Elínborg unterhielt sich lange mit ihrem Bruder Virote. Sie wusste nicht, ob er log, als er behauptete, von nichts zu wissen. Er machte sich große Sorgen um seine Schwester und Niran und kritisierte die Polizei, die so etwas hatte geschehen lassen. Elínborg war ohne Dolmetscherin zu Virote gefahren, dessen Isländischkenntnisse kaum besser waren als Sunees. Sie fragte mehrere Male nach Niran, aber Virote blieb standhaft bei seiner Aussage.
    »Ich kann gut verstehen, dass du mir nicht sagen willst, wo Niran ist«, sagte Elínborg. »Trotzdem musst du begreifen, dass es das Beste für ihn ist, aus seinem Versteck herauszukommen.«
    »Ich nicht wissen von Niran«, erklärte Virote. »Sunee nicht mir sagen.«
    »Deswegen musst du uns helfen«, sagte Elínborg.
    »Ich nicht wissen.«
    »Weshalb hat Sunee das getan?«, fragte Elínborg.
    »Ich nicht wissen, was sie tun. Haben Angst, Angst um Niran.«
    »Weshalb?«
    »Ich gar nicht wissen.«
    Der Bruder blieb bei dem, was er gesagt hatte, und Elínborg gab schließlich auf.
    »Wir müssen Niran finden und ihm sagen, dass er uns vertrauen kann«, sagte Erlendur. »Das muss Sunee doch verstehen.«
    »Er kann sich ja wohl kaum lange in seinem Versteck halten«, gab Elínborg zu bedenken. »Sunee will doch bestimmt, dass er bei Elías’ Beerdigung dabei ist, etwas

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