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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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ältere Kinder von Zuwanderern kennenlernte, wurde dieses Gefühl immer stärker.
    »Soweit wir wissen, hat er sich nicht mit seinem Stiefvater verstanden«, sagte Sigurður Óli.
    »Das kann stimmen«, antwortete Kári.
    »Weißt du, warum?«
    Kári zuckte die Achseln. »Niran hat gesagt, er hätte sich über die Scheidung gefreut, weil er den Mann dann nicht mehr treffen müsste.«
    »Weißt du was über einen anderen Mann, mit dem Sunee sich trifft und der vielleicht ihr neuer Freund ist?«, fragte Sigurður Óli.
    »Nein«, sagte Kári.
    »Hat Niran nie erwähnt, dass seine Mutter mit einem anderen zusammen ist?«
    »Nein, ich glaube nicht. Darüber weiß ich nichts.«
    »Wo hast du Niran zuletzt gesehen?«
    »Ich bin krank gewesen und nicht zur Schule gegangen. Ich hab auch die anderen Jungs nicht getroffen. Niran hab ich vor ein paar Tagen gesehen. Wir haben uns nach der Schule getroffen, sind dann aber jeder zu sich nach Hause gegangen.«
    »Bei der Apotheke?«
    »Ja.«
    »Was macht ihr da eigentlich immer bei der Apotheke?«
    »Gar nichts, wir treffen uns nur manchmal da. Wir machen gar nichts.«
    »Wo seid ihr denn sonst so, und was macht ihr tagsüber, wenn ihr euch trefft?«, fragte Sigurður Óli.
    »Och, wir hängen herum und gammeln, ziehen uns vielleicht ein Video rein oder spielen Fußball. Alles Mögliche, was uns so einfällt. Oder gehen ins Kino.«
    »Kannst du dir vorstellen, dass Niran seinem Bruder etwas angetan hat?«
    »Solche Fragen kann und braucht er nicht zu beantworten«, griff der Vater ein. »Das geht zu weit. Ich finde es unakzeptabel, das von ihm zu verlangen.«
    »Auf gar keinen Fall«, sagte Kári, »er würde Elías nie etwas tun können. Das weiß ich. Er hat sich immer um Elías gekümmert und viel von ihm gehalten.«
    »Ihr seid in der Schule oder hier im Viertel in Prügeleien verwickelt gewesen, kannst du mir darüber etwas erzählen?«, fragte Sigurður Óli. »Ist man über einen deiner Freunde hergefallen? Du hattest Angst, in die Schule zu gehen?«
    »Es war nichts Schlimmes«, antwortete Kári. »Es ist bloß … Es gibt da manchmal Randale, und damit will ich nichts zu tun haben. Ich will in Ruhe gelassen werden.«
    »Hast du Niran und den anderen das auch gesagt?«
    »Nein.«
    »Und wer hat das Sagen bei der anderen Gruppe, wenn Niran bei euch der Anführer ist?«
    Kári schwieg.
    »Willst du uns das nicht sagen?«
    Kári schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Anführer«, sagte er. »Niran ist nicht unser Anführer, wir sind bloße Freunde.«
    »Wer geht euch besonders auf die Nerven?«, fragte Sigurður Óli.
    »Der heißt Raggi«, sagte Kári. »Der hat die größte Klappe.«
    »War er es, der auf einen von euch losgegangen ist?«
    »Ja.«
    Sigurður Óli schrieb sich seinen Namen auf. Die Eltern warfen einander Blicke zu, die zu besagen schienen, dass es ihrer Meinung jetzt reichte.
    »Du hast gefragt, ob ich in der Schule was von Vorurteilen mitkriege«, sagte Kári auf einmal von sich aus.
    »Ja«, sagte Sigurður Óli.
    »Es ist nicht bloß so, dass … Wir motzen ja auch«, sagte er. »Es sind nicht bloß die anderen, wir sind es auch. Ich weiß nicht, wie es angefangen hat. Niran hat sich mit Gummi geprügelt wegen etwas, was irgendeiner gesagt hat. Das ist alles so bescheuert.«
    »Was ist mit den Lehrern?«
    Kári nickte zögernd. »Die sind in Ordnung, bis auf einen, der hasst Zuwanderer«, sagte er.
    »Wer ist das?«
    »Kjartan.«
    »Und was macht er?«
    »Er hat einfach was gegen uns«, sagte Kári.
    »Wie zeigt sich das? Tut er irgendwas, oder sagt er was?«
    »Er sagt Sachen, wenn niemand anderes dabei ist.«
    »Was für Sachen?«
    »Du stinkst nach Scheiße.«
    »Das darf ja wohl nicht wahr sein!« Káris Vater sog hörbar die Luft ein. »Warum hast du uns nichts davon gesagt?«
    »Sie haben sich gestritten«, sagte Kári.
    »Wer?«
    »Kjartan und Niran. Ich weiß nicht, worum es ging, aber sie hätten sich beinahe geprügelt. Niran wollte nicht darüber reden.«
    »Wann war das?«
    »Am gleichen Tag, an dem Elías gestorben ist.«
    Die Versicherung hatte einen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, der Elínborg mit bunter Krawatte und extrem korrekt gekleidet gegenübersaß. Auf seinem Schreibtisch befand sich nichts außer einer Tastatur und einem Flachbildschirm, in den Regalen hinter ihm waren einige Aktenkästen, von denen ein paar irgendwelche Papiere enthielten, die meisten aber leer waren. Elínborg dachte im Stillen, dass er wohl nicht allzu

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