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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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viel zu tun hatte. Es konnte natürlich auch sein erster Arbeitstag sein. Sie teilte ihm mit, um was es ging: dass von einem der Anschlüsse der Firma eine bestimmte Nummer angewählt worden sei, und sie erwähnte Sunee. Sie hatten nicht herausfinden können, von welchem Apparat die Anrufe getätigt worden waren, sondern nur die Hauptnummer der Firma, und sie wollten in Erfahrung bringen, wer der Anrufer war.
    »Hat es was mit dem ermordeten Jungen zu tun?«, fragte der Referent.
    »Genau«, sagte Elínborg.
    »Und ihr wollt wissen …?«
    »Ob jemand von hier aus bei ihm zu Hause angerufen hat«, sagte Elínborg.
    »Ich verstehe«, erklärte der Referent. »Du möchtest wissen, von welchem Anschluss hier innerhalb des Hauses telefoniert worden ist.«
    Elínborg glaubte, das bereits hinlänglich klargemacht zu haben. Sie überlegte jetzt, ob dieser Mann ungewöhnlich begriffsstutzig sei oder ob er, da es endlich mal etwas zu tun gab, die Sache in die Länge ziehen wollte.
    Sie nickte. »Zunächst müssen wir wissen, ob die Frau hier bei der Firma versichert ist.«
    »Wie war ihr Name?«, fragte der Öffentlichkeitsreferent und legte seine perfekt manikürten Hände auf die Tastatur.
    Elínborg gab Sunees Namen an.
    »Hier ist niemand dieses Namens versichert«, sagte der Referent.
    »Hat es im vergangenen Monat eine Marketingkampagne bei euch gegeben, bei der ihr Leute angerufen habt und so etwas?«
    »Nein, die letzte Aktion war vor drei Monaten. Seitdem ist nichts dergleichen gelaufen.«
    »Dann muss ich dich bitten, für uns in Erfahrung zu bringen, ob irgendein Mitarbeiter hier im Haus diese Frau kennt. Ist das machbar?«
    »Ich frage herum«, sagte der Referent und lehnte sich zurück.
    »Mach aber auf keinen Fall eine große Sache daraus. Wir möchten uns nur mit dieser Person unterhalten, weiter nichts. Sie steht unter keinem Verdacht. Es könnte sich um einen Freund von Sunee handeln, möglicherweise ihren Liebhaber. Glaubst du, dass du das unauffällig in Erfahrung bringen kannst?«
    »Es dürfte kein Problem sein«, erklärte der Öffentlichkeitsreferent.
    Erlendur betätigte die Klingel. Im gleichen Augenblick, als er auf den Knopf drückte, vernahm er drinnen in der Wohnung ein leichtes Quietschen. Nach einiger Zeit klingelte er noch einmal, und wieder vernahm er dieses Quietschen, und er begann zu lauschen. Kurz darauf hörte er ein Schlurfen, und endlich öffnete sich die Tür. Erlendur hatte den Mann geweckt, obwohl es helllichter Tag war. Der Mann machte den Eindruck, als sei er Rentner, deshalb konnte er wahrscheinlich schlafen, wann er wollte, dachte Erlendur im Stillen.
    Er stellte sich vor, aber weil der Mann noch ziemlich schlaftrunken war, musste Erlendur ihm zweimal sagen, dass er von der Kriminalpolizei sei, und fragen, ob er ihm vielleicht mit ein paar Auskünften weiterhelfen könne. Der Mann in der Tür starrte ihn an. Er machte nicht den Eindruck, als würden sich die Besucher bei ihm die Klinke in die Hand geben. Wahrscheinlich quietschte die Klingel, weil sie nie benutzt wurde.
    »Hä … was?«, brachte er mit heiserer Stimme heraus und kniff die Augen zusammen. Weiße Bartstoppeln bedeckten das Kinn, und das schlohweiße Haar stand wirr nach allen Seiten ab.
    Erlendur wiederholte ein weiteres Mal, was er gesagt hatte, und daraufhin begriff der Mann endlich, was er wollte. Er hielt die Tür auf, bat Erlendur einzutreten, und führte ihn ins Wohnzimmer. Die Wohnung sah heruntergekommen aus und roch muffig. Der Mann setzte sich aufs Sofa und lehnte sich etwas vor. Erlendur nahm ihm gegenüber Platz. Ihm fielen die enormen Augenbrauen des Mannes auf. Wenn er sie bewegte, hatte es den Anschein, als würden sich zwei winzige Pelztierchen über seinen Augen hin und her schieben.
    »Mir ist eigentlich immer noch nicht klar, was los ist«, sagte der Mann, der Helgi hieß. »Was will die Kriminalpolizei von mir?«
    Die Wohnung befand sich in einem alten Mehrfamilienhaus an einer verkehrsreichen Straße im östlichen Teil der Stadt. Der Verkehrslärm drang zu ihnen herein. Das Alter des Hauses ließ sich innen und außen ablesen, denn es war nicht sonderlich gut instand gehalten worden. Vom Verputz an der Straßenseite waren große Flächen abgeblättert, doch das schien den Bewohnern nichts auszumachen. Das enge und schäbige Treppenhaus war mit einem völlig verschlissenen Teppichboden ausgelegt. In der Wohnung war es trotz der Helligkeit draußen dämmrig, denn die Fenster waren verrußt und

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