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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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dunkel vom Straßendreck.
    »Du lebst schon lange in diesem Haus«, sagte Erlendur und beobachtete die Pelztierchen über den Augen. »Ich möchte dich fragen, ob du dich an deine Nachbarn von vor vielen Jahren erinnern kannst, eine Frau mit einem Kind, einem Jungen. Sie hat vermutlich mit einem Mann zusammengelebt, der der Stiefvater des Jungen war. Das ist sehr lange her, wir sprechen vielleicht von etwa … fünfunddreißig Jahren.«
    Der Mann sah Erlendur an, ohne ein Wort zu sagen. So verging eine ganze Weile, und Erlendur überlegte schon, ob er mit offenen Augen wieder eingeschlafen sein könnte. »Die lebten hier unten im Erdgeschoss«, fügte er schließlich hinzu.
    »Wieso fragst du mich nach diesen Leuten?«, sagte der Mann, der also doch nicht eingeschlafen war, sondern nur versucht hatte, sich zu erinnern.
    »Aus keinem besonderen Grund«, entgegnete Erlendur, »wir müssen nur bestimmte Informationen an den Stiefvater weiterleiten. Die Frau ist bereits vor einiger Zeit gestorben.«
    »Und das Kind?«
    »Das Kind hat uns darum gebeten, den Mann zu finden«, log Erlendur. »Kannst du dich an diese Leute erinnern? Sie wohnten im Erdgeschoss.«
    Wieder sah der Mann Erlendur in die Augen, ohne ein Wort zu sagen.
    »Eine Frau mit ihrem Sohn?«, fragte er schließlich.
    »Und dem Stiefvater.«
    »Das ist verdammt lange her«, sagte der Mann, der jetzt so langsam aus seinem Mittagsschlaf erwacht zu sein schien.
    »Ich weiß«, pflichtete Erlendur bei.
    »War er denn hier nicht zusammen mit ihr gemeldet?«
    »Nein, zu dieser Zeit hat laut dem Einwohnermeldeverzeichnis nur die Frau mit ihrem Sohn da gewohnt. Wir wissen aber, dass sie zusammengelebt haben.«
    Erlendur wartete auf eine Reaktion.
    »Uns fehlt der Name des Stiefvaters«, sagte er, als es nicht so aussah, als würde Helgi noch etwas sagen wollen. Er saß reglos da und starrte auf den Wohnzimmertisch.
    »Weiß das Kind den denn nicht?«, fragte Helgi schließlich. Also doch wach, dachte Erlendur bei sich.
    »Der Junge war klein«, sagte er und hoffte, der Mann würde sich damit zufriedengeben.
    »Da unten lebt jetzt irgendwelches Gesocks«, erklärte Helgi, weiterhin auf den Wohnzimmertisch vor sich starrend. »Mieses Pack, das nächtelang Remmidemmi macht. Egal, wie oft man sich bei euch beschwert, es nutzt nichts. Dieser Kerl besitzt aber die Wohnung, irgend so ein Taugenichts, und deswegen kann man ihn nicht rauswerfen.«
    »Man hat nicht immer Glück mit seinen Nachbarn«, sagte Erlendur, um irgendetwas zu sagen. »Kannst du uns in Bezug auf diesen Mann weiterhelfen?«
    »Wie hieß die Frau?«
    »Sigurveig. Der Sohn hieß Andrés. Ich versuche nur, auf dem schnellsten Weg an diese Informationen heranzukommen. Diesen Mann im Dschungel des Systems ausfindig zu machen, würde uns sehr viel Zeit kosten.«
    »Ich kann mich an sie erinnern«, sagte der Mann und blickte hoch. »Sigurveig, ja, richtig. Aber Moment, der Junge war doch nicht so klein, dass er sich nicht an den Namen dieses Mannes erinnern könnte, mit dem sie zusammenlebte.« Helgi blickte Erlendur lange an. »Du sagst mir vielleicht nicht die ganze Wahrheit?«, fragte er dann.
    »Nein, das tue ich nicht«, gab Erlendur zu.
    Ein schwaches Lächeln huschte über Helgis Lippen.
    »Dieser Kerl da unten ist eine richtige Landplage«, sagte er dann.
    »Man kann nie wissen, ob da vielleicht nicht doch etwas zu machen ist«, sagte Erlendur.
    »Der Mann, nach dem du fragst, hat einige Jahre mit dieser Frau zusammengelebt«, sagte Helgi. »Ich habe ihn eigentlich kaum kennengelernt, er war immer so viel weg. War er Seemann?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Erlendur, »das kann aber gut sein. Erinnerst du dich, wie er geheißen hat?«
    »Nein, ums Verrecken nicht«, sagte Helgi. »Tut mir leid. Ich hatte auch den Namen von Sigurveig vergessen, erst, als du ihn mir gesagt hast, erinnerte ich mich, dass der Junge Andrés hieß. So was hält bei mir nicht lange vor, geht sozusagen zum einen Ohr rein und zum anderen raus.«
    »Und dann sind vermutlich auch seitdem viele ein-und ausgezogen«, sagte Erlendur.
    »Darauf kannst du Gift nehmen«, sagte Helgi, der sich inzwischen davon erholt zu haben schien, quietschend aus dem Mittagsschlaf geholt worden zu sein. Jetzt hatte es den Anschein, als sei er froh, dass ein Gesprächspartner bis zu ihm vorgedrungen war – und außerdem einer, der ihm mehr Interesse entgegenzubringen schien als irgendjemand anderes seit langer Zeit. »Aber ich kann mich nicht an

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