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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Betracht ziehen«, sagte Erlendur. »Das musst du verstehen. Es ist ist intensiv nach ihr gefahndet worden, ihr Bild erschien in den Zeitungen und im Fernsehen, man hat die Küsten abgesucht. Sie taucht aber nicht auf. Es kann sein, dass sie tot ist. Wenn Leute auf diese Weise verschwinden, ist es häufig ein Zeichen dafür, dass es ihnen schlecht ging, und zwar so schlecht, dass sie imstande sind, verrückte Dinge zu tun. Fühlte sich deine Frau schlecht? Wenn ja, weshalb? Hat es etwas mit dir zu tun? War sie unzufrieden mit sich selbst? Hat sie alles bereut? Hat sie den Seitensprung, die Scheidung, die neue Ehe bereut? Vermisste sie ihre Kinder? War das alles nur Leichtsinn mit tödlichen Folgen?«
    »Du hast mit ihren Freundinnen gesprochen, nicht wahr?«, sagte der Mann.
    Erlendur antwortete nicht auf die Frage. Bislang war er nicht so hart in dieser Sache vorgegangen, aber die Anrufe hatten die Situation verändert.
    »Die spinnen doch!«, fuhr der Mann fort. »Ich habe sie nie gemocht, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Was kann man da anderes erwarten?«
    »Sie war depressiv«, sagte Erlendur. »Sie vermisste ihre Familie, und sie ging davon aus, dass du wieder fremdgingst.«
    »Verdammter Quatsch!«
    »Hast du eine Neue?«, fragte Erlendur.
    »Eine Neue? Worüber redest du eigentlich?«
    »Bist du nicht wieder fremdgegangen?«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Ihre Freundinnen haben gesagt, sie habe den Verdacht gehabt, dass wieder eine andere im Spiel sei«, sagte Erlendur. »Stimmt das?«
    »Das ist eine verdammte Lüge. Da ist keine andere Frau im Spiel!«
    Erlendur zögerte einen Augenblick.
    »In den vergangenen Tagen hat eine Frau bei mir angerufen, die ihren Namen nicht sagen will«, sagte er schließlich. »Sie klingt sehr bedrückt, sie weiß, dass ich mit diesem Fall befasst bin, traut sich aber nicht, ihre Identität preiszugeben. Ich weiß nicht, ob sie es nicht wagt oder ob sie es nicht darf. Das wenige, was sie sagt, gibt nicht viel her, denn wenn sie anruft, ist sie immer sehr aufgeregt, hat sich wahrscheinlich dazu durchgerungen, aber im entscheidenden Augenblick macht sie einen Rückzieher und legt auf.«
    »Ist sie das?«, fragte der Mann bass erstaunt. »Hat sie sich mit dir in Verbindung gesetzt? Ist … Ist sie am Leben?! Ist sie wohlauf?«
    »Falls sie es ist«, sagte Erlendur, der sofort bereute, die Anrufe erwähnt zu haben. Er hätte damit warten sollen, hätte zumindest noch einen Anruf der Frau abwarten und sie dazu überreden sollen, sich mit ihm zu treffen und ihm die Wahrheit zu sagen.
    »Falls?«, sagte der Mann. »Falls sie das ist? Du bist dir also nicht sicher?«
    »Ich bin mir so sicher, wie ich sein kann«, entgegnete Erlendur, »aber das will nicht viel besagen.«
    »Großer Gott! Was denkt sie sich dabei? Und was … Was sagt sie? Warum macht sie das?«
    »Ist das ein abgekartetes Spiel von euch beiden?«, fragte Erlendur.
    »Abgekartetes Spiel? Nein. Behauptet sie etwa, dass es ein abgekartetes Spiel ist? Behauptet sie das?«
    »Nein«, sagte Erlendur, und versuchte, den Mann zu beruhigen. »Sie sagt nicht viel. Sie …«
    Er hatte vorgehabt zu sagen, dass sie am Telefon kaum etwas anderes machte, als zu weinen, unterließ es aber.
    »Was … Was sagt sie denn? Weshalb ruft sie dich an?«
    »Ihr geht es nicht gut«, antwortete Erlendur. »So viel steht fest, wenn man mit ihr spricht. Aber sie will mir nichts erzählen. Kannst du mir verraten, was da gespielt wird? Weißt du mehr, als du mir gesagt hast? Was hast du mir bislang verschwiegen?«
    »Warum spricht sie nicht mit mir?«, fragte der Mann.
    Erlendur schwieg und blickte ihn an, als wolle er die Frage an ihn zurückgeben. Warum spricht sie nicht mit dir?
    »Ich hab ihr doch gar nichts getan!«, rief der Mann. »Das ist gelogen! Ich gehe nicht fremd. Okay, ich hab’s zwar früher getan, aber das ist momentan nicht der Fall. Ich habe nichts dergleichen getan, das musst du begreifen! Du musst mir glauben!«
    »Ich habe keine Ahnung, was ich glauben muss«, erwiderte Erlendur.
    »Du musst mir glauben«, wiederholte der Mann und versuchte, so aufrichtig zu klingen, wie er es vermochte.
    »Es könnte natürlich auch diese neue Frau sein, auf die du dich eingelassen hast«, sagte Erlendur. »Du gehst fremd, das ist keine Lüge. Mit der Zeit bist du wieder in deine alten Gewohnheiten verfallen und triffst dich mit einer anderen Frau. Ihr habt dieses kleine Geheimnis miteinander. Deine Frau findet das heraus. Und

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