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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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wurde. Ihre Mutter stand am Küchentisch und wandte ihnen halb den Rücken zu, und sie sahen eine Schulter ihres Vaters, der dem Gast schräg gegenübersaß. Erlendur schlich auf Zehenspitzen zum Fenster, um sich das Auto anzusehen. Er kannte die Marke nicht und hatte das Auto noch nie gesehen.
    Er beschloss, auf den Flur hinauszuschleichen, er wollte das allein tun, aber als Bergur ihm drohte, ihn zu verpetzen, erlaubte er ihm mitzukommen. Sie machten die Tür ganz vorsichtig noch weiter auf und betraten leise den Flur. Ihre Mutter bemerkte sie nicht, und ihr Vater und der Gast saßen in der Ecke hinter der Küchentür und konnten sie nicht sehen. Jetzt konnte Erlendur einzelne Worte unterscheiden. Die tiefe Stimme des Gastes wurde deutlicher, die Worte verständlicher, sogar Sätze fügten sich zusammen. Er sprach so ruhig und artikuliert, als wolle er sicherstellen, dass das, was er sagte, die richtige Wirkung erzielte. Erlendur nahm einen Geruch wahr, der mit dem Gast ins Haus gekommen war, einen seltsam süßlichen Duft, der in der Luft schwebte. Er schlich sich näher. Bergur in seinem gestreiften Schlafanzug blieb ihm auf den Fersen und war so darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, dass er auf allen vieren vorwärtskroch.
    Erlendur war sieben Jahre, als er zum ersten Mal vom schrecklichsten aller Verbrechen hörte.
    »… was bedeutet, dass es gut sein kann«, sagte der Gast.
    »Wann war das?«, fragte ihre Mutter.
    »Um die Abendbrotzeit. Der Mord ist wahrscheinlich nachmittags verübt worden. Der Anblick war furchtbar. Er hat den Verstand verloren. Vollkommen den Verstand verloren und wie ein Berserker in dem Zimmer gewütet.«
    »Mit einem Filetiermesser?«, flüsterte ihr Vater.
    »Man weiß ja nie bei diesen Zugereisten«, sagte der Gast. »Er hat zwei Monate im Gefrierhaus gearbeitet. Alle sagen, dass er ein ganz ruhiger Mensch war, der wenig redete und sich kaum mit den anderen abgab.«
    »Das arme Mädchen«, stöhnte ihre Mutter.
    »Wie gesagt, bei uns in der Nähe ist heute niemand unterwegs gewesen«, sagte ihr Vater.
    »Kann es sein, dass er sich hier in der Gegend versteckt hält?«, fragte ihre Mutter, und Erlendur hörte ihr an, wie besorgt sie war.
    »Falls er zu Fuß über die Berge will, kann es gut sein, dass er hier vorbeikommt, vielleicht ist es sogar wahrscheinlich. Wir wollten euch nur Bescheid sagen, denn man hat beobachtet, wie er diese Richtung einschlug. Wir bewachen die Straße, aber wir wissen keineswegs, ob das etwas nützt.«
    »Was sollen wir tun?«, fragte ihr Vater.
    »Um Himmels willen«, hörte Erlendur ihre Mutter flüstern. Er sah sich nach Bergur um und bedeutete ihm, keinen Mucks von sich zu geben.
    »Wir schnappen ihn«, sagte der Gast hinter der Küchentür. Erlendur starrte auf die festen, schwarzen Schuhe. »Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir erwarten Verstärkung aus Reykjavík. Aber es ist natürlich wahr, es ist einfach furchtbar, dass so etwas hier in den Ostfjorden passiert.«
    »Ihr wisst aber doch zumindest, wer es ist«, sagte ihr Vater. »Verschließt das Haus heute Nacht und verfolgt die Meldungen in den Nachrichten«, sagte der Gast. »Ich will euch nicht unnötig ängstigen, aber es ist besser, auf der Hut zu sein. Es kann gut sein, dass der Mörder noch bewaffnet ist, wahrscheinlich mit einem Messer. Wir wissen nicht, was er im Sinn hat.«
    »Und das Mädchen?«, fragte ihre Mutter zögernd.
    Der Gast schwieg eine Weile, bevor er antwortete. »Die Tochter von Sigga und Leifur«, sagte er schließlich.
    »Nein!«, schrie ihre Mutter auf. »Was sagst du da? Dagmar? Es war die kleine Dagmar?«
    Erlendur sah seine Mutter auf die Küchenbank sinken und den Gast entsetzt anstarren.
    »Wir wissen nicht, wo Leifur ist«, sagte der Gast. »Er ist mit seiner Schrotflinte unterwegs. Es kann gut sein, dass er hier vorbeikommt. Falls ihr ihn seht, versucht, ihm gut zuzureden. Es macht die ganze Sache nur noch schlimmer, wenn er diesem Mann etwas antut. Sigga hat gesagt, er sei völlig außer sich.«
    »Der arme Mann«, hörte Erlendur seine Mutter flüstern.
    »Ich kann ihn gut verstehen«, sagte ihr Vater.
    Erlendur stand wie versteinert an der Küchentür und wusste nicht, was er tun sollte. Bergur neben ihm war aufgestanden. Er war noch zu jung, um wie Erlendur zu begreifen, was da Schreckliches gesagt worden war. Bergur fasste nach der Hand seines Bruders. Erlendur sah ihn an und bedeutete ihm noch einmal, ganz still zu sein. Er hörte, wie sein Vater die

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