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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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fuhr sie träumerisch fort:
    »Mein Kind einer andern überlassen – niemals, niemals! Ich wäre zu eifersüchtig, ich will, daß es nur von mir sein Leben habe, von mir vollendet werde, so wie es aus mir hervorgegangen. Es wäre nicht mehr mein Kind, wenn eine andre es vollendete. Und es handelt sich nicht bloß um seine physische Gesundheit, es handelt sich um sein ganzes Wesen, um den Verstand und das Gemüt, die es haben wird und die es von mir haben soll, und nur von mir allein. Wenn ich es später erleben müßte, daß es dumm oder bösartig würde, so würde ich glauben, daß die andre es vergiftet hat. – Mein liebes, süßes Kind! Wenn er so stark saugt, so fühle ich, daß ich ganz in ihn übergehe, und das ist mir eine Wonne.«
    Sie erhob die Augen und sah Mathieu am Fußende des Bettes stehen und sie gerührt betrachten.
    »Du bist auch mit dabei,« fügte sie heiter hinzu.
    »Ja!« rief Mathieu, sich gegen die Liebenden wendend, »sie hat recht. Möchten doch alle Mütter sie hören, und möchten sie es doch zur Mode in Frankreich machen, selber ihre Kinder trinken zu lassen! Das würde genügen, damit dies zum Begriff der Schönheit werde. Und ist dies nicht die Schönheit, die höchste und herrlichste Schönheit?«
    Die Angelin lachten liebenswürdig, schienen aber nicht überzeugt. Und was die Niederlage vollendete, das war ein kleiner Zwischenfall, die Folge menschlicher Unvollkommenheit. Als Monsieur Gervais zu trinken aufgehört, fand Marianne, daß er sich in seine Windel vergessen hatte. Sie lachte darüber nur noch mehr und machte sich sogleich daran, die Windel zu wechseln. Sie ließ sich den Schwamm reichen und wusch und reinigte das Kind. Diese kleine mütterliche Verrichtung in der hellen Sonne, dieses nackte, rosige Körperchen waren für sie nur eine Freude mehr. Aber die, denen das Kind nicht gehörte, hatten vielleicht doch andre Augen. Die Angelin erhoben sich, um Abschied zu nehmen.
    »In neun Monaten also?« fragte Mathieu neckend.
    »Sagen wir achtzehn,« erwiderte Angelin, »wenn wir die Bedenkzeit hinzurechnen.«
    Unter dem Fenster erhob sich in diesem Augenblicke ein Lärmen, das durchdringende Geschrei losgelassener kleiner Wilden, weil Ambroises Ball sich in den Zweigen eines Baumes verfangen hatte und nun oben hing. Blaise und Denis warfen Steine danach, und Rose hüpfte schreiend in die Höhe, als ob sie hätte hoffen können, ihre Aermchen bis da hinauf zu verlängern. Die Angelin standen erstaunt und betäubt.
    »Lieber Gott!« sagte Claire, »wie wird das sein, wenn Sie einmal zwölf haben!«
    »Das Haus würde uns tot scheinen, wenn sie nicht lärmten,« sagte Marianne heiter. »Auf Wiedersehen, liebe Freundin, ich besuche Sie, sobald ich ausgehen kann.«
    Der März und der April waren prächtig, und der erste Ausgang Mariannens verlief sehr glücklich. Das kleine, abgelegene, unter Bäumen versteckte Haus lebte in fortwährender Freude. Jeder Sonntag besonders, wenn der Vater nicht ins Bureau ging, wurde zum Feste. An den andern Tagen fuhr er des Morgens fort, um erst gegen sieben Uhr nach einem arbeitsvollen Tage zurückzukehren. Und wenn auch diese täglichen Fahrten seine frohe Laune nicht beeinträchtigten, so begann doch allmählich die Sorge um die Zukunft ihn zu beschäftigcn. Bis jetzt hatte die Knappheit seines Haushaltes ihn nicht beunruhigt. Er besaß keinerlei Ehrgeiz oder Verlangen nach Reichtum, und er wußte, daß seine Frau gleich ihm nach keinem andern Glücke verlangte, als hier in aller Einfachheit ein Leben der Gesundheit, des Friedens und der Liebe zu leben. Aber, wenn er auch nicht von der Macht einer hohen Stellung, von den Genüssen großen Reichtums träumte, so mußte er sich doch fragen, wie er, auch noch so bescheiden, sollte leben können, wenn sich seine Familie so unaufhaltsam vermehrte. Was sollte er tun, wenn er noch Kinder bekäme, wie sollte er auch nur das Notwendigste beschaffen, so oft ein neuer Zuwachs neue Bedürfnisse schuf? Wenn man so Kinder zeugt, so muß man, in dem Maße, als die kleinen Mäuler sich öffnen und nach Nahrung schreien, neue Quellen erschließen, Lebensmittel aus dem Boden zu ziehen, wenn man sich nicht verbrecherischen Leichtsinnes schuldig machen will. Man kann als ehrlicher Mann nicht unbekümmert Junge hervorbringen wie ein Vogel, und das Nest dem Zufall, der Sorgfalt andrer überlassen. Diese Gedanken lagen ihm um so mehr auf der Seele, als die Knappheit seit der Geburt Gervais’ immer drückender wurde,

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