Fruchtbarkeit - 1
so daß Marianne, trotz aller Wunder an Sparsamkeit, nicht wußte, wie bis zum Ende des Monats auskommen. Man mußte die kleinsten Ausgaben erwägen, die Butter an den Brötchen der Kinder sparen, sie ihre Blusen bis zum letzten Faden tragen lassen. Dabei wurden sie alle Jahre größer und brauchten also mehr. Sie hatten die drei Knaben in die Schule von Jauville gegeben, was noch nicht viel kostete. Aber würde es nicht notwendig sein, sie nächstes Jahr ins Lyzeum zu senden, und woher wollten sie das Geld dazu nehmen? Eine schwere Frage, eine stets gegenwärtige, sich steigernde Sorge, deren Schatten über den hellen Frühling fiel, unter dessen fröhlichem Einflusse die weite Landschaft erblühte.
Das schlimmste war, daß Mathieu das Bewußtsein hatte in seiner Stellung als Zeichner in der Beauchêneschen Fabrik von jeder wesentlichen Aussicht auf Besserung seiner Lage abgeschnitten zu sein. Angenommen selbst, daß sein Gehalt dort eines Tages auf das Doppelte steigen würde, so waren es doch nicht die sieben oder achttausend Franken jährlich, die ihm gestatten würden, seinen Traum von einer zahlreichen Familie zu verwirklichen, die frei und kräftig emporwachsen sollte, wie ein glücklicher Wald, der seine Kraft, seine Gesundheit, seine Schönheit nur der gemeinschaftlichen Mutter, der Erde, dankt. Deshalb zog ihn, seit seiner Rückkehr nach Jauville, die Erde mächtig an, er erging sich in weiten Spaziergängen durch das Land, während er gestaltlose, immer mehr sich verbreiternde Gedanken in der Seele wälzte. Er verweilte lange vor einem Kornfelde, am Rande eines dichten Gehölzes, am Ufer eines Sumpfwassers, dessen Fläche im Sonnenlichte glänzte, zwischen dem Unkraut eines steinigen Feldes. Allerlei wirre Pläne stiegen in ihm auf, unbestimmte Träume, so seltsam und weitausschauend, daß er sie noch niemand mitgeteilt hatte, nicht einmal seiner Frau. Er fühlte, daß man ihn ausgelacht hätte, denn er befand sich noch in jenem Stadium bebender Schauer, da die Erfinder den Hauch der Entdeckung über sich hinwehen fühlen, ehe sie noch imstande sind, die deutlichen Linien des Gedankens vor Augen zu sehen. Warum sollte er nicht zur Erde, zu der ewigen Allernährerin, seine Zuflucht nehmen? Warum nicht versuchen, dieses ungeheure Gebiet urbar zu machen, diese Wälder, diese Sumpfflächen, diese Steinfelder dem Todesschlaf zu entreißen, in dem man sie ruhen ließ? Da es einem jeden Manne oblag, sich seine Lebensbedingungen zu schaffen, seine Existenz zu sichern, könnte er nicht mit jedem neuen Kind ein neues Stück fruchtbares Feld produzieren, das ihm Nahrung gäbe, ohne die Allgemeinheit zu verkürzen? Das war alles, seine Phantasien nahmen noch keine schärferen Umrisse an, der Gedanke an die Verwirklichung verlor sich in dem schönsten der Träume.
Die Familie befand sich so seit mehr als einem Monat auf dem Lande, als Marianne, nun vollständig erholt, eines Abends, das Wägelchen mit Gervais vor sich herschiebend, zu der kleinen Brücke über die Yeuse kam, um Mathieu zu erwarten, der zeitig heimkehren sollte. Tatsächlich kam er vor sechs Uhr; und da der Abend sehr schön war, schlug sie ihm vor, einen kleinen Umweg über die flußabwärts gelegene Mühle der Lepailleur zu machen, um dort Eier zu kaufen.
»Gerne,« sagte Mathieu. »Du weißt, daß ich von dieser alten, romantischen Mühle entzückt bin. Was nicht hindern würde, daß ich sie abtragen ließe, um sie neu aufzubauen und mit einem modernen Werk zu versehen, wenn sie mir gehörte,«
In dem von Efeu halbbedeckten Hofe des alten, märchenhaften Gebäudes, dessen moosüberzogenes Rad unter Seerosen schlief, fanden sie das Ehepaar, der Mann rothaarig, groß und hager, die Frau ebenso rot und ebenso hager wie er, beide jung und abgehärtet. Das Kind, Antonin, saß auf der Erde und grub ein Loch mit seinen kleinen Händen.
»Eier?« sagte die Frau. »Gerne, Madame. Es werden wohl welche da sein.«
Sie beeilte sich jedoch nicht und betrachtete Gervais, der in seinem Wagen schlief. »Ah, das ist Ihr Jüngster! Er ist stark und sehr hübsch. Sie haben Ihre Zeit nicht verloren.« Lepailleur konnte ein spöttisches Lächeln nicht zurückhalten und sagte mit der Vertraulichkeit des Bauern gegen Stadtleute, von denen er weiß, daß sie nicht viel Geld haben: »Damit sind es also ihrer fünf, Herr? Ja, wir armen Leute dürfen uns so was nicht erlauben.«
»Warum nicht?« fragte Mathieu ruhig. »Haben Sie nicht Ihre Mühle, haben Sie nicht
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