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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in seine Tücher, indem sie auf jeden seiner Schreie antwortete:
    »Ja, ja, ich weiß, wir haben Hunger, großen Hunger! Gleich, gleich kommt die Suppe, sie steht schon auf dem Feuer, gleich soll der junge Herr bedient werden.«
    Sie hatte gleich nach dem Erwachen große Sonntagstoilette gemacht und ihre prachtvollen Haare in einem großen Knoten hoch hinausgesteckt, so daß sie ihren weißen Hals frei ließen. Sie trug eine hübsche weiße Flanellmorgenjacke mit Spitzen garniert, die nur die Unterarme frei ließ. Durch zwei Polster gestützt, immer noch lachend, öffnete sie die Jacke und reichte dem Kinde ihre weiße, feste, von Milch geschwellte Brust; der Kleine suchte blind mit Händen und Lippen, und als er endlich gefunden hatte, fing er gierig zu saugen an, als wollte er die Mutter ganz austrinken. Sie stieß mitten in ihrem Lachen einen leichten Schmerzensschrei aus:
    »Ach, er ißt mich auf, der Wildfang, er hat den Hautriß wieder geöffnet.«
    Mathieu wollte den Vorhang herablassen, als er sah, daß das blendende Sonnenlicht über ihnen lag, aber sie bat:
    »Nein, nein, laß uns die Sonne! Sie ist uns gar nicht lästig, sie gießt uns den Frühling in die Adern,«
    Er kam wieder zurück und stand in Entzücken verfunken vor diesem Schauspiel. Die Sonne entfaltete ihre Pracht, es war das Leben, das hier flammte, das hier in Gesundheit und Schönheit blühte. Kein heiligeres und glorreicheres Symbol der Lebensewigkeit tonnte es geben als dieses: das Kind an der Mutterbrust. Es war die Fortsetzung des Gebärens, die Mutter gab sich noch monatelang ganz hin, vollendete die Schaffung eines Menschen, öffnete die Lebensquelle, die aus ihrem Leibe durch die Welt floß. Sie hatte das nackte und schwache Kind aus ihrem Innern nur entlassen, um es an ihrer warmen Brust zu bergen, an diesem neuen Zufluchtsort der Liebe, wo es sich wärmte und sich nährte. Nichts schien einfacher, nichts notwendiger. Sie allein konnte, um ihrer beider Gesundheit, um ihrer beider Schönheit willen, natürlicherweise die Nahrungspendende sein, nachdem sie die Daseinspendende gewesen. Und so war die Fröhlichkeit, die Glückeszuversicht, die sie um sich verbreiteten, nichts andres als die natürliche Größe alles dessen, was gesund und ungekünstelt emporwächst, die Menschheitsernte vermehrend.
    Zoë, die die Badewanne hinausgetragen und das Zimmer in Ordnung gebracht hatte, kam nun mit einem großen Strauß Fliederblüten in einem Topf zurück und meldete, daß Monsieur und Madame Angelin, von einem Morgenspaziergang zurückgekehrt, unten wären und nach Madames Befinden fragen ließen.
    »Bitten Sie sie, heraufzukommen,« sagte Marianne heiter. »Ich kann empfangen.«
    Die Angelin waren jene jungen verliebten Eheleute, die sich in einem Häuschen in Janville eingemietet hatten und mit solcher Vorliebe einsame Pfade durchwandelten, die das Kind auf später verschoben, um damit ihr ungebundenes Leben voll egoistischer Zärtlichkeit nicht zu belasten und zu stören. Sie war eine prächtige Frau, groß, schön gewachsen, mit dem beständigen Ausdruck der Freude und der Genußliebe im Gesichte. Er war ein hübscher Junge, blond, breitschulterig, mit aufgewirbeltem Schnurrbart und der zuversichtlichen Haltung eines Musketiers. Außer den zehntausend Franken Rente, die ihnen ein unabhängiges Leben gestatteten, erwarben sie noch einiges Geld durch das Malen hübscher Fächer, auf denen anmutige Frauengestalten, von Rosengewinden umgeben, in allerlei graziösen Stellungen lagerten. Ihr Dasein war daher auch bis heute nur ein einziges Liebesfest, ein fortwährendes Zwitschern und Schnäbeln gewesen. Gegen Ende des letzten Sommers waren sie, infolge täglicher Begegnungen, in engen Verkehr mit den Froment getreten.
    »Kann man eintreten, ohne indiskret zu sein?« rief die kräftige Stimme Angelins vom Vorplatz.
    Nachdem Madame Angelin, lebhaft angeregt von dem Spaziergang in der Frühlingssonne, Marianne umarmt hatte, entschuldigte sie sich ob des frühen Besuches. »Denken Sie sich, meine Liebe, daß wir erst gestern abend erfahren haben, daß Sie seit dem Tage vorher wieder hier sind. Wir haben Sie erst in acht oder zehn Tagen erwartet. Und da wir an Ihrem Hause vorbeikamen, so haben wir dem Wunsche nicht widerstehen können, uns zu überzeugen, ob Sie wirklich da sind. Sie nehmen es uns nicht übel, nicht wahr?«
    Und ohne die Antwort abzuwarten, rief sie übermütig:
    »Da ist er also, der kleine Herr! Ein Junge, nicht wahr? Und alles

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