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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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allen andern begriffen.
    »Wer bist du denn, mein Kind, der du mich Großvater nennst, und der mir wie ein Bruder gleicht?«
    »Ich bin Dominique, der älteste Sohn eures Sohnes Nicolas, der mit meiner Mutter Lisbeth in dem großen freien Lande, im neuen Frankreich lebt.«
    »Und wie alt bist du?«
    »Ich werde im nächsten August siebenundzwanzig sein, wenn dort drüben die Wasser des Niger, des guten Riesen, unsre weiten Felder befruchten werden.«
    »Und sage uns, bist du verheiratet, hast du Kinder?«
    »Ich habe eine Französin zur Frau, die in Senegal geboren ist, und in unserm Ziegelhause, das ich gebaut habe, wachsen schon vier Kinder unter der flammenden Sonne des Sudan auf.«
    »Und sag’ uns weiter, hast du Brüder, hast du Schwestern?«
    »Mein Vater Nicolas und meine Mutter Lisbeth haben achtzehn Kinder gehabt, von denen zwei tot sind. Wir sind sechzehn, neun Söhne und sieben Töchter.«
    Mathieu lachte fröhlich, wie um zu sagen, daß sein Sohn Nicolas, nun fünfzig Jahre alt, ein wackerer Arbeiter des Lebens sei, der besser gearbeitet habe, als selbst er. Er blickte Marianne an, die ebenfalls glückselig lächelte.
    »Also, mein Kind, da du der Sohn meines Sohnes Nicolas bist, komm und küsse uns zu unsrer Hochzeitsfeier. Es wird ein Gedeck für dich aufgelegt werden, du bist zu Hause.«
    Dominique hatte im Nu die Tafel umlaufen. Er faßte die beiden Alten in seine starken Arme und küßte sie, während sie vor glücklicher Erregung fast schwach wurden, so schön war die Überraschung, daß ihnen an einem solchen Tage noch ein Sohn beschert wurde, der aus einem fernen Himmel herunterfiel und von der andern Familie Zeugenschaft ablegte, dem andern, ihren Lenden entsprossenen Volke, das im Begriffe war, sich dort unter der Glut der Tropen mit verstärkter Fruchtbarkeit zu vermehren.
    Diese Überraschung verdankten sie der schlauen Veranstaltung Ambroises, der nun wohlgefällig die Einzelheiten dieses von ihm vorbereiteten effektvollen Streiches erzählte. Seit acht Tagen beherbergte und verbarg er Dominique in seinem Hause, den sein Vater aus dem Sudan gesendet hatte, um mit ihm, Ambroise, einige auf den Export bezügliche Fragen zu ordnen, und besonders um in der Fabrik Denis eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Maschinen von eigenartiger, den dortigen Verhältnissen angepaßter Konstruktion zu bestellen. Nur Denis war also mit im Geheimnis gewesen. Als nun die ganze Tafel Dominique in den Armen der beiden Ahnen sah, als die ganze Geschichte bekannt geworden war, da gab es ungeheuern Jubel, betäubende Zurufe, begeisterte Umarmungen, in denen der Abgesandte der schwesterlichen Familie, der Prinz der zweiten Dynastie Froment, dort in dem Wunderlande des künftigen Frankreichs, beinahe erdrückt worden wäre.
    »Hier, uns beiden gegenüber, soll er seinen Platz haben,« ordnete Mathieu heiter an. »Er allein soll uns gegenüber sitzen, wie der Gesandte eines mächtigen Reiches. Denn wir dürfen nicht außer acht lassen, daß er außer seinem Vater und seiner Mutter neun Brüder und sieben Schwestern vertritt, uneingerechnet die vier Kinder, die er selbst schon sein eigen nennt. Setze dich hierher, mein Sohn, und nun essen wir!«
    Das Hochzeitsmahl verlief unter Fröhlichkeit und Rührung im Schatten der großen Eiche, durch deren Laubgitter ein Sonnenregen die Tafel überstreute. Ein köstlich frischer Geruch stieg aus dem Grase auf, es schien, als ob die freundliche Natur mit zur Verschönerung des Festes beitragen wollte. Das Lachen verstummte keinen Augenblick, selbst alte Männer wurden wieder zu übermütigen Kindern angesichts der neunzig und siebenundachtzig Jahre des Jubelpaares. Ringsum gab es nur von Fröhlichkeit erleuchtete Gesichter unter weißen, unter braunen und blonden Haaren; die ganze große Familie war von Freude erfüllt, schön in gesunder und heiterer Schönheit, die Kinder strahlend, die jungen Männer prächtig, die jungen Mädchen reizend, die Ehepaare vereint, Seite an Seite. Und welch gesunder Appetit! Und mit welch frohem Lärm wurde jede Schüssel empfangen! Und wie wurde dem guten Weine zugesprochen, um das gütige Leben zu feiern, das ihren zwei Patriarchen das große Glück gewährt hatte, sie alle bei einer so herrlichen Gelegenheit an ihrem Tische zu vereinigen. Beim Dessert gab es dann wieder Reden, Toaste, Zurufe. Aber in den Gesprächen, in den lebhaften Reden, die von einem Ende der Tafel zum andern flogen, kam man immer wieder auf die Ueberraschung des Tages, auf

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