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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ob er innerlich daran verzweifle, jemals das Unbekannte zu versuchen, ehe er nutzlos und glücklos endete.
    Aber Ambroise befahl, und Benjamin gab die Tür frei. Und im Sonnenschein, auf dem blumigen Rasen, erschienen Mathieu und Marianne. Ein lauter, allgemeiner Jubel empfing sie, frohes Lachen, Händeklatschen. Die freudig erregte Menge, die da beisammen war, die ganze hundertköpfige Familie rief:
    »Es lebe der Vater! Es lebe die Mutter! Langes, glückliches Leben dem Vater und der Mutter!«
    Mit neunzig Jahren hielt sich Mathieu noch immer sehr aufrecht, seine schlanke Gestalt war von einem enganliegenden schwarzen Leibrocke umschlossen, als wäre er ein Neuvermählter, auf seinem unbedeckten Kopfe lag der Schnee seiner dichten Haare, die er einst kurz getragen hatte, und die er mit der Koketterie des Alters hatte lang werden lassen, seitdem sie einem neuen Wachstum des kraftvollen alten Baumes glichen. Das Alter mochte sein Gesicht vertrocknet, mit Runzeln durchfurcht haben, aber er hatte noch immer seine großen, klaren, lächelnden Augen, diese Augen voll Leben und Tiefe, die noch immer den Mann des Gedankens und der Tat, den einfachen, heiteren und guten Mann verrieten. Und Marianne, siebenundachtzig Jahre alt, im hellen Hochzeitskleide, hielt sich ebenfalls sehr aufrecht, noch immer rüstig, noch immer schön in ihrer Gesundheit, mit ihren kräftigen Hüften, die eine Welt getragen hatten, mit ihrer vollen Brust, die sie genährt hatte. Ganz weißhaarig gleich ihrem Manne, mit verklärtem Gesichte, das unter ihrem seidigen Haar von einer letzten Röte angehaucht war, glich sie einer jener heiligen Marmorstatuen, deren Züge die Zeit verwittert hat, ohne ihnen die ruhige Schönheit nehmen zu können, einer furchtbaren Cybele, die wohlerhalten in ihren festen Linien aufgefunden worden und nun im hellen Tag wiedererstanden ist, mit zärtlichheiterem Ausdrucke in ihren großen schwarzen Augen.
    Arm in Arm, aneinander gelehnt, als liebende Gatten, die von weither gekommen, die siebzig Jahre miteinander gewandert sind, ohne sich je zu verlassen, sahen Mathieu und Marianne mit tränenumflorten Augen lächelnd auf ihr Volk, auf die üppig gediehene Familie, die fortfuhr ihnen zuzujubeln.
    »Es lebe der Vater! Es lebe die Mutter! Langes, glückliches Leben dem Vater und der Mutter!«
    Dann kam die Zeremonie des Glückwunsches, der Ueberreichung des Blumenbuketts. Eine kleine Blondine von fünf Jahren, Rose, war damit betraut. Sie war gewählt worden als das älteste der Kinder der vierten Generation. Sie war die Tochter Angelinens, welche die Tochter Berthes, welche die Tochter Charlottens, der Frau Blaises war. Und als die beiden Ahnen sie mit ihrem großen Bukett herankommen sahen, da verstärkte sich ihre Bewegung und sie stammelten, von Erinnerungen überwältigt, unter glücklichen Tränen:
    »Unsre kleine Rose! Unser Blaise, unsre Charlotte!«
    Die ganze Vergangenheit lebte wieder auf. Man hatte der Kleinen den Namen Rose gegeben, zum Andenken an jene andre, vielbeweinte Rose, die erste Abgeschiedene, die dort drüben auf dem kleinen Friedhofe ruhte. Und Blaise war auch dahin gebettet worden, und Charlotte war ihm gefolgt. Dann hatte Berthe, ihre Tochter, die Philippe Havard geheiratet hatte, Angeline bekommen. Und dann hatte Angeline, die Georges Delmas geheiratet hatte, Rose bekommen. Hinter dem Kinde standen Berthe und Philippe Havard, und Angeline und Georges Delmas. Alle diese waren in der kleinen Rose verkörpert, die Toten ebenso wie die Lebenden, eine so lange, blühende Linie der Abstammung, soviel Leiden und soviel Freuden, alle die tapfere Fortpflanzung, dieser ganze reiche Lebensstrom – alles dies mündete in diesem kleinen, zarten, blonden Engel mit den morgenfrischen Augen, in denen die Zukunft erglänzte.
    »Oh, unsre Rose, unsre Rose!«
    Rose war inzwischen vorgetreten, das große Bukett mit ihren beiden Händchen haltend. Seit vierzehn Tagen lernte sie einen sehr schönen Glückwunsch auswendig. Noch heute früh hatte sie ihn ihrer Mutter fehlerlos hergesagt. Aber als sie sich da inmitten der vielen Leute sah, war sie so aufgeregt, daß ihr kein Wort mehr einfiel. Sie verlor jedoch darüber nicht die Fassung. Sie war schon ein Persönchen voll Mut. Ohne sich viel zu besinnen, ließ sie das Bukett los und warf sich Mathieu und Marianne um den Hals, indem sie mit ihrem dünnen Flötenstimmchen rief:
    »Großpapa, Großmama, heute ist euer Hochzeitstag und ich will euch einen schönen Kuß

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