Fruchtbarkeit - 1
geben.«
Das war sehr hübsch. Man fand es sogar viel hübscher als den eingelernten Glückwunsch. Es gab wieder allgemeines Lachen, Händeklatschen, Zurufe. Dann setzte man sich sogleich zu Tische. Aber das war keine leichte Sache. Die riesige Hufeisentafel stand unter der Eiche, auf einem großen Viereck kurzgeschorenen Rasens. Zuerst begaben sich Mathieu und Marianne, immer noch Arm in Arm, feierlich nach der Mitte und nahmen mit dem Rücken gegen den Stamm des Baumes Platz. Links von Mathieu setzten sich Marthe und Denis, Louise und ihr Gatte, der Notar Mazaud, da man den hübschen Gedanken gehabt hatte, die Ehepaare nicht zu trennen. Rechts von Marianne nahmen Platz Ambroise, Thérèse, Gervais, der Doktor Chambouvet, alle verwitwet, dann wieder ein Ehepaar, Mathilde und ihr Mann, der Architekt Herbette, dann Benjamin allein. Hierauf folgten nach dem Rang der Generationen die andern Ehepaare. Endlich nahmen, wie das bestimmt worden war, die Jugend, die Kinder, die Schar der jungen Leute und der ganz Kleinen nach ihrem Gefallen ihre Plätze ein, inmitten einer außerordentlichen lärmenden Verwirrung.
Ah, welch ein Augenblick stolzer Freude für Mathieu und für Marianne! Sie sahen sich da in einem Triumphe, den sie sich nie zu erträumen gewagt hätten. Das Leben schien, wie um sie für ihre Zuversicht, für ihre beherzte Förderung zu belohnen, sich darin gefallen zu haben, ihr Dasein über die gewöhnliche Grenze hinaus zu verlängern, damit sie mit eignen Augen das wunderbare Blühen ihres Werkes sollten sehen können. Ihr ganzes Chantebled nahm an dem Feste teil, alles was sie da Nützliches und Schönes gegründet und geschaffen hatten. Von den bebauten, den Sümpfen abgerungenen Feldern wehte der Hauch der heranreifenden Erntefülle zu ihnen her; von den Weiden inmitten der weiten Wälder kam der warme Hauch der zahllosen Viehherden, der immerfort sich mehrenden Lebewesen; von den gefaßten Quellen, mit denen sie die Heiden befruchtet hatten, die nun reiche Ernten lieferten, drang das Plätschern zu ihnen herüber, das Rieseln des Wassers, das wie das Blut der Erde ist. Hier war das soziale Heilswerk vollbracht, der Hunger gestillt, Lebensmittel neu geschaffen, aus dem Nichts unbebauter Erde hervorgebracht. Und in welch geliebter Umgebung bereitete ihnen ihr glückliches und dankbares Geschlecht dieses Fest! Diese Buchen und Ulmen, die aus dem Rasenplatze einen weiten grünen Saal machten, die hatten sie selbst gepflanzt, sie hatten sie wachsen sehen Tag um Tag, als die friedlichsten und stärksten ihrer Kinder. Diese Eiche besonders, heute ein Riesenbaum, dank der klaren Flut des Bassins, in welches unaufhörlich eine der Quellen sich ergoß, das war ihr großer Sohn, den sie hier am Tage der Gründung von Chantebled in die Welt gesetzt hatten, indem er, Mathieu, das Loch grub, und sie, Marianne, das junge Stämmchen hielt. Und nun, da der Baum sie mit seiner gewaltigen Laubkrone überschattete, war er nicht das königliche Symbol der ganzen Familie? Gleich ihm war sie unzählbar; gleich ihm hatte sie ihre Aeste ins Unendliche vermehrt und verbreitet, und sie bedeckten nun weithin den Boden; und gleich ihm bildete sie allein einen ganzen Wald, einem einzigen Stamme entsprossen, von demselben Safte genährt, stark in derselben Gesundheit, erfüllt von Sonne, Wind und Gesang. An den mächtigen Stamm gelehnt, fühlten sich Mathieu und Marianne eins mit seiner Herrlichkeit, mit seiner majestätischen Würde, königlich gleich ihm, denn sie hatten so viel Kinder gezeugt, als er Zweige zählte, sie thronten hier über dem Volt ihrer Nachkommen, die das Leben von ihnen hatten, so wie seine Blätter es von ihm hatten. Die dreihundert Gäste zu ihrer Rechten, zu ihrer Linken waren nur ihre Verlängerung, ein einziger großer Lebensbaum, aus ihrer Liebe erwachsen, der noch immer mit allen seinen Fasern an ihnen festhielt! Sie fühlten den freudigen Stolz, mit dem alle ihnen huldigten, die Rührung der Alten, den lauten Frohsinn der Jungen. Sie hörten das Pochen ihrer eignen Herzen bis in der Brust der blondköpfigen Knaben, die mit lachendem Vorgenuß auf die Kuchen des Desserts schauten. Ihr ganzes Werk der Menschenzeugung war um sie, in ihnen vereinigt, wie die riesige Kuppel des Baumes, und von allen Seiten, rings um sie, umfloß sie die Fruchtbarkeit jenes andern Werkes, der Schaffung einer neuen Erde, jener Natur, die sich erweitert und bereichert hatte in dem Maße, als sie selbst sich vermehrt hatten.
Da
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