Fruchtbarkeit - 1
einzig richtige. Und Sérafine wurde zur Verkörperung dieser fieberheißen Stadt, die, unter dem sieghaften Ruf nach dem Genuß um des Genusses willen, sich in ihre unfruchtbare Nacht stürzte, in die mörderische Freude der abnormen und vervielfältigten Lust, die das Kind tötet.
Da widerstand er nicht länger, kehrte halb sinnlos um, wandte sich wieder den Boulevards zu. Ein plötzliches Fieber, ein tolles Verlangen nach diesem Weibe riß ihn mit sich. Eine Glühhitze überfiel ihn bei dem Gedanken, ihre diabolischen Künste kennen zu lernen, in der Unfruchtbarkeit ihrer Umarmung den letzten Genuß auszukosten. Sie schwebte vor ihm wie eine herrliche und wilde Zauberin, welche Geheimnisse unerhörter Wollust kannte, den Männern den tollmachenden Trank ihrer rotgoldenen Haarflut, ihres üppigen weißen Körpers kredenzte, dessen Duft allein sie ihr zu Füßen warf. Und sie erwartete ihn an dem Abende, den zu wählen ihm belieben würde, sie hatte sich ihm mit ihrer ruhigen Kühnheit angeboten, er brauchte nur hinzugehen, Rue de Marignan, an die Tür des stillen Hauses zu klopfen, das die Heimlichkeit eines großen Alkovens hatte. Er erinnerte sich auf einmal des kleinen Salons, ohne sichtbares Fenster, dicht und geschlossen wie eine Gruft, den er einmal gesehen hatte, die Luft erwärmt von den zehn Kerzen in den zwei Kandelabern, welche mitten am Tage brannten. Das erhöhte seinen Taumel, das Feuer in seinem Innern, und er beeilte seine Schritte. Dann tauchten andre, entferntere Erinnerungen auf, an die Stunden, da er sie einst besessen, deren er noch gestern kaum mehr gedacht hatte und die nun in dem Delirium, das ihn ergriffen hatte, ihm Paroxysmen vergegenwärtigten, welche noch in dieser Stunde wieder zu kosten ihn ein brennendes Verlangen erfaßte. Und indem er willenlos, widerstandslos dahineilte, dachte er sich aus, was er morgen seiner Frau erzählen werde: daß er, durch das Geschäftsdiner mit Beauchêne zurückgehalten, den Zug versäumt habe.
Eine Wagenstockung zwang ihn, stehen zu bleiben; er erhob die Augen und sah, daß er wieder die Boulevards erreicht hatte. Um ihn herum floß noch immer der nächtliche Menschenstrom, rann nach allen Seiten ab, in dem steigenden Fieber der Begierde, die den Schlafzimmern zustrebt. Seine Schläfen hämmerten, in seinen Ohren summte es: tun wie die andern, vernünftig sein, unterschlagen wie die andern, lieber als noch weiter zeugen. Aber ein Zögern, eine Herabstimmung überkam ihn, während er hier festgebannt auf dem Trottoir stand, ungeduldig über den ununterbrochenen Zug der Wagen. Das wollte kein Ende nehmen, es war wie eine Wand, welche seine Begierde durchschnitt, so wie sie seinen Weg durchschnitt. Und plötzlich entstand ein andres Bild vor ihm, das Mariannens, lachend und vertrauend, deren Zärtlichkeit ihn dort drüben erwartete in dem weiten Frieden des reinen Landes. Warum sollten sie nicht beide gemeinsam vernünftig sein, sich als gute Kameraden gute Nacht sagen, dieses fünfte Kind vermeiden, welches der Ruin wäre? Er schwor sich zu, keines mehr zu haben, er schlug wieder den Weg zum Bahnhof ein, hastig ausschreitend, um den Zug nicht zu versäumen. Er wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen von diesem glühenden Paris, das ihn umfloß; er erreichte den Bahnhof gerade rechtzeitig, um sich in ein Coupé zu werfen, er lehnte sich während der Fahrt aus dem Fenster, sein Gesicht dem kühlen Nachtwinde preisgebend, wie um sich von den Gelüsten zu reinigen, deren Glut er noch in den Adern fühlte.
5
Die Neumondnacht war mit Sternen besät, so funkelnd und so klar, daß man die Linien der Landschaft erkennen konnte, die sich unter dem weichen bläulichen Lichte ins Endlose dehnte. Und seit zwanzig Minuten nach elf Uhr befand sich Marianne auf der kleinen Brücke der Yeuse auf dem halben Wege zwischen Chantebled, dem Pavillon, den die Familie bewohnte, und dem Bahnhof von Janville. Die Kinder schliefen, sie hatte Zoë, ein Bauernmädchen, die ihr half, bei ihnen zurückgelassen, strickend neben einer Lampe, deren Schein gleich einem hellen Stern von der dunkeln Linie des Waldes herüberschimmerte.
Allabendlich, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, kam Marianne so bis an die Brücke, Mathieu entgegen, wenn er mit dem SiebenUhrZuge heimkehrte. Manchmal nahm sie ihre beiden Aeltesten, die Zwillinge, mit, ob auch ihre kleinen Füße auf dem Rückwege schwer wurden, wenn es hieß, den Kilometer, den sie im Herkommen schon zurückgelegt
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