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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hatten, nun heimwärts die ziemliche Steigung hinauf wieder zu durchmessen. Und diesen Abend hatte sie, trotz der späten Stunde, der süßen Gewohnheit nachgegeben, der Freude, so durch die köstliche Nacht dem Manne entgegenzugehen, den sie vergötterte. Nie überschritt sie die Brücke, die sich rundrückig über dem Flüßchen wölbte. Sie setzte sich auf die breite und niedrige Brüstung, die einer ländlichen Bank glich; von da aus übersah sie die ganze Ebene bis zu den Häusern von Janville, vor welchen der Schienenstrang sich hinzog, so daß sie schon von weitem den erwarteten Geliebten auf dem Pfade, der sich durch die Felder schlängelte, herankommen sah.
    Auch heute setzte sie sich, unter dem weit ausgespannten, dunkelsamtenen, von Sternen funkelnden Himmel, auf den gewohnten Platz. Mit einer Bewegung der Sehnsucht hatte sie sich gegen das kleine helle Licht herumgewendet, das vom Rande des dunkeln Waldes dort herüberglänzte, von dem stillen Frieden des Zimmers sprach, in dem es brannte, der ruhigen Wacht der treuen Dienerin, dem sicheren Schlaf der Kinder in dem benachbarten Räume. Dann ließ sie die Augen herumschweifen, umfaßte mit einem Blick den weiten Horizont, diesen ganzen großen Besitz, der den Séguin gehörte. Das ehemalige Jagdrendezvous, der baufällige Pavillon, befand sich am äußersten Rande der großen Wälder, deren von Heiden durchschnittene Massen ein weites Plateau bedeckten, bis zu den entfernten Bauernhäusern von Mareuil und Lillebonne. Und das war noch nicht alles, mehr als hundert Hektar erstreckten sich noch im Westen des Plateaus, Sumpfflächen, stagnierende Wasser inmitten von Gestrüpp, weites unkultiviertes Land, wo man im Winter Wildenten jagte, während ein dritter Teil der Domäne, Hektare und Hektare ebenfalls unbebauten Landes, bestehend aus Sand und Steinflächen, in sanfter Neigung sich bis an den Bahndamm senkte. Es war ein unproduktives Stück Erde, wo die wenigen Flecken fruchtbaren Bodens, von Wüsteneien umklammert, unbebaut blieben, eine weit ausgedehnte Jagdpachtung, um deren Anteilscheine man sich eifrig bewarb. Aber das gab der Gegend eine wunderbare Einsamkeit, eine köstliche Wildheit, dazu angetan, gesunde Seelen, die die freie Natur lieben, zu entzücken, und nichts konnte erhebender und besänftigender wirken als dieser weite, stille, duftende Frieden unter der milden, sternenklaren Nacht.
    Marianne, die bereits die Waldpfade weit verfolgt, die Gebüschflächen rings um die Sümpfe durchstreift hatte, die kieselbestreuten Hänge hinabgeschritten war, verlor sich im Hinausschauen auf diese Umgebung, deren oft besuchte Lieblingspunkte sie im Geiste auffinden konnte, wenn auch der tiefe Schatten der Nacht sie verbarg. Eine Eule sandte aus der Tiefe des Waldes ihren leichten regelmäßigen Schrei, während von rechts aus einem fernen Sumpfe Froschquaken herüberkam, so verloren, daß es die Luft nur mit einem schwachen Vibrieren erfüllte. Und von der andern Seite, gegen Paris zu, war nichts hörbar als ein dumpfes Brummen, welches sich steigerte und allmählich alle Geräusche der Nacht verschlang. Sie hatte es schon vernommen, und sie hörte bald nichts mehr als dieses. Es war der Eisenbahnzug, dessen Geräusch, auf welches sie jeden Abend horchte, ihr wohlbekannt war. Sobald er die Station Monval in der Richtung gegen Janville verließ, begann man sein Rollen zu vernehmen, aber noch so schwach, daß man eines geübten Ohres bedurfte, um es aus den mannigfachen andern Geräuschen ringsum herauszufinden. Sie aber hörte es sogleich, hielt es von da ab fest, verfolgte die ganze Fahrt, jede Biegung der Linie. Und nie hatte sie ihm besser zu folgen vermocht als heute, in der großen Stille der herrlichen Nacht, in dem Frieden des Schlafes der Erde. Der Zug hatte Monval verlassen, er war nun bei den Ziegeleien, fuhr nun an SaintGeorges vorbei; noch zwei Minuten und er würde in Janville sein. Plötzlich erschien, nach den Pappeln von MesnilRouge, das Weiße Licht des Zuges, über den Boden hingleitend, während der mächtige Atem der Lokomotive immer lauter hörbar wurde, wie der eines laufenden, sich nähernden Riesen. Nach dieser Richtung erstreckte sich die Ebene dunkel, endlos, ins Unbekannte hinaus unter dem sternflimmernden Himmel, welchen ganz unten am Horizont ein roter Glutschein anstrahlte, der Lichtreflex des nächtlichen Paris, welches in der Finsternis gleich dem Krater eines Vulkans brannte und dampfte.
    Sie war aufgestanden. Der Zug hielt,

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