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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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er war in Janville; dann begann das Rollen wieder, nahm ab, verlor sich gegen VieuxBourg hin. Sie hörte aber jetzt nicht mehr darauf, sie hatte nur noch Augen und Ohren für den Weg, dessen helles Band sie inmitten der Felder, deren grüne Flächen jetzt schwarz lagen, unterscheiden konnte. Ihr Mann brauchte kaum zehn Minuten, um den Kilometer zurückzulegen, der zwischen dem Bahnhof und der kleinen Brücke lag. Und jetzt sah sie ihn auch schon aus der Ferne herankommen; aber diesmal vernahm sie in der tiefen Stille der Nacht seinen Schritt auf dem festen, tönenden Boden, noch ehe sie die dünne schwarze Linie sah, die seine Gestalt auf den schwacherhellten Weg zeichnete. Und so fand er sie, ihn unter den Sternen erwartend, lächelnd, gesund, kraftvoll, mit ihrer biegsamen Taille auf den starken Hüften, ihrer kleinen, festen mütterlichen Brust. Die milchige Weiße ihrer Haut wurde noch gehoben durch ihre herrlichen braunen Haare, die sie in einem einfachen mächtigen Knoten, der ihren runden Nacken freiließ, aufgestellt trug, durch ihre großen schwarzen Augen, erfüllt von der Zärtlichkeit der Geliebten und Mutter, von dem heiligen Frieden einer segenspendenden fruchtbaren Göttin. Ihre breite Stirn, ihre Nase, ihr Mund, ihr schönmodelliertes Kinn, ihre reifen Früchten gleichenden Wangen, ihre reizenden kleinen Ohren, dieses ganze Antlitz der Liebe und Güte atmete gesunde Schönheit, die Heiterkeit erfüllter Pflichten, die frohe Sicherheit, recht zu leben in der Liebe zum Leben.
    »Wie? Du bist hierhergekommen?« rief Mathieu. »Ich habe dich doch gebeten, nicht mehr so spät fortzugehen. Fürchtest du dich denn nicht, allein auf dem einsamen Wege?«
    Sie lachte.
    »Fürchten, wenn die Nacht so mild, so köstlich ist? Und willst du denn nicht, daß ich dir entgegengehe, um dich zehn Minuten früher zu umarmen?«
    Er wurde von diesen einfachen Worten zu Tränen gerührt. All das Verwirrende, Schändliche, das er in Paris durchgemacht, erschien ihm nun grauenhaft. Er nahm sie zärtlich in seine Arme, und sie tauschten den innigsten, den menschlichsten der Küsse inmitten des tiefen Friedens der schlummernden Landschaft. Nach dem glühenden Pflaster von Paris, erhitzt von dem erbitterten Kampf des Tages, von der unfruchtbaren und unsauberen Brunst der grell erleuchteten Nacht, welche köstliche Ruhe in diesem weiten Schweigen, diesem weichen bläulichen Dunkel, diesen endlos hingegossenen Ebenen, die sich an der Nacht erfrischten und von der Fruchtbarkeit des sonnenbeschienenen Tages träumten! Und welche Gesundheit, welche reinigende Kraft, welche Beglückung strömte diese stets gebärende Natur aus, die unter dem nächtlichen Tau nur entschlummert, um triumphierend wieder zu erwachen, unaufhörlich verjüngt durch den Strom des Lebens, der bis durch den Staub der Wege dringt.
    Mathieu hatte Marianne wieder sich auf die breite, niedere Brüstung der kleinen Brücke niedersetzen lassen. Er hielt sie an seine Brust gedrückt, es war ein zärtliches Verweilen, dem sich beide nicht entziehen konnten, angesichts der stillen Aufforderung, die aus den Sternen, den Wassern, den Wäldern und den endlosen Ebenen zu ihnen sprach.
    »Mein Gott!« murmelte er, »welch herrliche Nacht! Wie wohl tut es, in ihr zu atmen!«
    Nach einem kurzen, beseligten Schweigen, in welchem beide ihre Herzen schlagen hörten, erzählte er die Ereignisse des Tages. Sie befragte ihn mit liebevollem Interesse, und er antwortete, glücklich, daß er nicht zu lügen hatte.
    »Nein, die Beauchêne können nicht auf einen Sonntag herkommen. Du weißt, daß Constance uns nie sehr gernhatte. Ihr kleiner Maurice leidet an den Beinen; Doktor Boutan war da, und man hat wieder über die Kinderfrage gesprochen. Ich werde dir davon erzählen. Dafür werden die Morange kommen. Du hast keine Vorstellung, welches Vergnügen es ihnen machte, mir ihre neue Wohnung zu zeigen. Ich fürchte nur sehr, daß diese braven Leute in ihrer Sucht, reich zu werden, irgendeine große Dummheit begehen. – Ah, ich vergaß! Ich war beim Hauseigentümer und habe ihn, nicht ohne Mühe, dazu gebracht, daß er das Dach erneuern läßt. Was für ein Haus auch, das der Séguin! Ich habe es mit Bestürzung verlassen. Ich werde dir das mit dem andern später erzählen.«
    Sie war übrigens frei von schwatzhafter Neugierde, erwartete ruhig, daß er sich freiwillig mitteile, bekümmerte sich nur um ihn, sich selbst und die Kinder.
    »Du hast dein Gehalt bekommen, ja?«
    »Ja, sei

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