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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ruhig.«
    »Oh, ich bin ruhig; es ist nur wegen der kleinen Schulden, die mir unangenehm sind.«
    Dann fragte sie weiter:
    »Und das geschäftliche Diner ist angenehm verlaufen? Ich fürchtete, Beauchêne würde dich zurückhalten und du würdest den Zug versäumen.«
    Er fühlte, daß er errötete, sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, während er erwiderte, daß alles gut verlaufen sei. Um abzubrechen, sagte er mit plötzlicher Lustigkeit:
    »Nun, und du, Liebste, was hast du mit deinen dreißig Sous Großes angestellt?«
    »Meine dreißig Sous!« antwortete sie fröhlich. »Ich war ja viel zu reich, wir haben alle wie die Prinzen gelebt, und ich habe noch sechs Sous.«
    Dann beschrieb sie ihm ihre Erlebnisse, ihr alltägliches kristallhelles Leben, was sie getan hatte, was sie gesagt hatte, wie die Kinder sich aufgeführt hatten, die kleinsten Einzelheiten in bezug auf sie und das Haus. Alle Tage glichen sich übrigens, sie schickte sich jeden Morgen mit derselben Fröhlichkeit an, sie wieder durchzuleben.
    »Heute haben wir übrigens einen Besuch gehabt. Madame Lepailleur, die Frau aus der Mühle drüben, ist gekommen, um mir zu sagen, daß sie schöne Hühner zu verkaufen habe. Da wir ihr zwölf Franken für Eier und Milch schulden, so glaube ich wohl, daß sie nur kam, um zu sehen, ob ich nicht bezahlen will. Ich gab ihr zu verstehen, daß ich morgen zu ihr kommen werde.«
    Sie hatte auf ein großes schwarzes Gebäude gewiesen, das flußabwärts an der Yeuse lag. Dies war die Mühle, wie man sie einfach in Janville nannte, eine alte Wassermühle, die noch in Betrieb war. Seit drei Generationen war sie im Besitz der Lepailleur. Der letzte, François, ein Junge, der sich etwas Besseres zu sein dünkte, hatte vom Militärdienst den Widerwillen gegen die Arbeit mitgebracht, die Überzeugung, daß er durch diese Mühle niemals reich werden würde, so wenig wie sein Vater und Großvater daran reich geworden waren. Er hatte daher den Plan gefaßt, die älteste Tochter eines Bauern, Victoire Cornu, zu heiraten, die ihm einige in der Nähe an der Yeuse gelegene Felder als Mitgift brachte, so daß das Ehepaar nun verhältnismäßig in guten Umständen lebte von dem Ertrag dieser Felder und von dem wenigen Korn, das die Bauern noch nach der alten Mühle brachten. Sie hätten ohne Zweifel zum Wohlstand gelangen können, wenn der veraltete, schlecht in Stand gehaltene Mechanismus durch ein neues System ersetzt worden wäre und wenn die Felder, anstatt in hergebrachter Weise rücksichtslos ausgesogen zu werden, in die Hände eines intelligenten und modern gebildeten Mannes geraten wären. Aber Lepailleur fügte zur Verachtung der Arbeit die Abneigung gegen den Boden. Er war der Bauer, welcher der ewigen Gebieterin müde geworden, die seine Väter zu sehr geliebt haben, um sie schließlich zu verwünschen, weil sie sich weigert, alle die entsetzlichen Anstrengungen, die sie sie gekostet hat, mit Reichtum und Glück zu vergelten. Er glaubte nicht mehr an sie, er klagte sie wütend an, daß sie nicht mehr ertragfähig sei, verbraucht, störrig, gleich den alten Kühen, die man zur Schlachtbank sendet. Und es war seiner Ansicht nach der allgemeine Bankrott, der Bankrott des Bodens, der das Saatkorn verschlang, des Himmels, der in Anarchie verfallen war, der Jahreszeiten, die aus ihrer natürlichen Ordnung geraten waren, mit einem Worte, das allgemeine Unheil, von irgendeiner bösen Macht ausgedacht und ins Werk gesetzt gegen die Bauern, die dumm genug waren, der Rabenmutter noch immer nutzlos ihren Schweiß und ihr Blut hinzugeben.
    »Denke dir nur,« fuhr Marianne fort, »diese Lepailleur war mit ihrem kleinen Antonin da, einem Menschlein von drei Jahren, und als ich sie fragte, wann denn die andern kämen, hat sie heftig protestiert und gesagt, daß die andern dort bleiben werden, wo sie sind. Eine junge Frau, die kaum mehr als vierundzwanzig Jahre zählt, und deren Mann noch nicht siebenundzwanzig ist! Sind also auch schon die Bauern da angelangt? Ich glaubte, sie hielten es noch mit der alten Mode, so viel Kinder zu erzeugen als man kann.«
    Diese Worte erweckten alle die Gedanken und Grübeleien wieder, die Mathieu beschäftigten. Er schwieg einen Augenblick.
    »Sie hat dir ohne Zweifel ihre Gründe gesagt.«
    »Oh, die mit ihrem großen Kopfe, ihrem langen, sommersprossigen Gesichte, ihren wässerigen Augen und dünnen, geizigen Lippen, die halte ich nur für ein einfältiges Weib, die vor ihrem Manne ungeheuern Respekt

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