Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
dicht an die Mutter, so daß nichts von ihm sichtbar war als das von braunen Ringeln umgebene lachende Gesicht. Bei diesem Anblick stießen die beiden älteren ein Kriegsgeheul aus, erstürmten und besetzten ihrerseits den eroberten Platz.
    »Mach ein bißchen Platz, mach ein bißchen Platz! Hier, Mama! Da, Mama!«
    Und unten blieb nur Rose, empört, außer sich. Vergebens hatte sie zu folgen versucht, sie war zurückgerutscht und hatte sich auf den Boden gesetzt.
    »Ich auch, Mama! Ich auch, Mama!«
    Sie krallte sich mit ihren beiden Fäustchen in das Leintuch und zog mit aller Macht, bis man ihr hinaufhalf; die Mutter nahm sie in die Arme, und sie hatte nun den besten Platz. Zuerst hatte der Vater Angst bekommen, hatte gefürchtet, daß die wilde Erobererbande der Mutter Schaden zufügen würde. Aber sie beruhigte ihn, indem sie laut in das Lachen der Kinder einstimmte. Nein, nein, sie taten ihr gar nicht weh, sie brachten ihr nur beglückende Liebkosungen. Und er betrachtete nun mit Entzücken das liebenswürdige und reizende Bild dieser Mutter, mit Rose an ihrer Brust, Ambroise halb verborgen an ihrer Hüfte und Blaise und Denis hinter ihren Schultern. Es war ein förmliches Nest, rosige Schnäbelchen, die von allen Seiten hervorlugten, zerzauste feine Haare wie die Federn, während sie selbst, von milchiger Weiße und Frische, glorreich in ihrer Fruchtbarkeit triumphierte, vibrierend von dem Leben, das neuerlich in ihr sproßte, bereit, wieder einmal zu gebären.
    »Ah, wie gut, wie warm!« sagte Ambroise, der sich sehr behaglich fühlte.
    Denis, der Kluge, begann nun zu erklären, warum man so viel Lärm gemacht habe.
    »Blaise hat gesagt, er sieht eine Spinne, und da hat er sich gefürchtet.«
    Sein Bruder protestierte eifrig.
    »Das ist nicht wahr! Ich habe eine Spinne gesehen. Da habe ich mein Polster nach ihr geworfen, um sie umzubringen.«
    »Ich auch, ich auch!« stammelte Rose, ausgelassen lachend. »So, mein Polster, da, da!«
    Alle lachten wieder bis zur Atemlosigkeit, fanden die Sache ungeheuer unterhaltend. Die Wahrheit war also offenbar, daß sie sich mit Polstern beworfen hatten, unter dem Vorwande, eine Spinne zu töten, welche Blaise allein gesehen haben wollte, was das Ding ein wenig zweifelhaft machte. Und das ganze Nest war so erfüllt von Gesundheit und Lebensfrische, die Mutter und die Kinder so blühend und rosig im Lichte der hellen Sonne, daß der Vater dem zärtlichen Drange nicht widerstehen konnte, sie alle zusammen in seine Arme zu schließen und sie zu küssen, wohin seine Lippen gerade gerieten, was einen neuen Ausbruch von Geschrei und Gelächter hervorrief.
    »Heute ist’s lustig, heute ist’s lustig!«
    »Nun muß ich aber doch wohl aufstehen,« sagte die Mutter, nachdem es ihr endlich gelungen war, sich ein wenig zu befreien. »Das Faulsein ist nicht so gut für mich. Und dann müssen die Kleinen da gewaschen und angekleidet werden.«
    Die Toilette wurde vor dem großen flammenden Feuer gemacht. Es war nahe an zehn Uhr, als die Familie, mit mehr als einer Stunde Verspätung, in das Speisezimmer hinabging, wo im Kachelofen ein lustiges Feuer brannte, während die zum Frühstück bestimmte Milch auf dem Tische dampfte. Das Erdgeschoß des Hauses bestand aus einem Speisezimmer und einem Salon zur Rechten des Vorhauses, und aus einem Arbeitszimmer und der Küche zur Linken. Und das Speisezimmer, welches wie das Schlafzimmer auf die Rue de la Fédération ging, war erfüllt vom fröhlichen Licht der steigenden Sonne.
    Die Kinder saßen schon auf ihren Plätzen, die Nasen in ihren Tassen, als die Klingel ertönte. Doktor Boutan trat ein. Dies verursachte einen neuen Ausbruch lärmender Fröhlichkeit bei den Kindern, denn das gute runde Gesicht des Doktors war ihnen lieb und vertraut. Er hatte ihnen allen in die Welt geholfen, und sie behandelten ihn als guten Kameraden, mit dem man sich Freiheiten erlauben durfte. Sie stießen auch gleich all ihre Sessel zurück, um sich auf ihn zu stürzen, als die Mutter sie abwehrte. »Wollt ihr wohl den Doktor in Ruhe lassen?«
    Dann heiter: »Guten Morgen, Doktor. Dank für die schöne Sonne, denn sicherlich haben Sie sie bestellt, damit ich nachmittags spazieren gehen kann.«
    »Natürlich habe ich das. Ich bin eben gekommen, um zu sehen, wie Ihnen das Rezept anschlägt.«
    Er nahm mit fröhlicher Miene nahe am Tische Platz, und Mathieu, der ihm warm die Hand gedrückt hatte, erklärte ihm, daß sie in den Tag hinein geschlafen

Weitere Kostenlose Bücher