Fruchtbarkeit - 1
ein großes Mädchen sei. Man ging am Champ de Mars vorbei, ohne daß sie noch daran gedacht hätte, sich tragen zu lassen. Die drei Jungen setzten ihre Füße kräftig auf das gefrorene, hallende Pflaster. Es war ein prächtiger Spaziergang.
Am Arme Mathieus wankte indessen Marianne ein wenig. Sie trug ein grünes Tuchkleid, dessen weite Bluse ihre Taille verbarg. Aber da sie schon sehr stark war, so wußte sie wohl, daß man es sah, lächelte darüber mit sanfter Anmut, während sie langsam, wiegend, dahinschritt. Und sie war wirklich von rührendem Reiz, so schön, in lächelnder Würde, noch anziehender geworden durch diese Mattigkeit, diese Lässigkeit des Körpers, der durch seine Entstellung geheiligt war. Vorübergehende, von ihrer Schönheit frappiert, drehten sich um und folgten ihr mit den Augen. Die Anzahl derer vermehrte sich, denen sie auffiel, die sich mit den Ellbogen anstießen, um einander auf sie aufmerksam zu machen. Was die Lage verschlimmerte, das war das Pensionat vor ihr. Vier Kinder schon, eine ganze Schar, und das fünfte unterwegs! Das schien manchen komisch, reizte sie zum Lachen. Manche ärgerten sich sogar, ließen sich anmerken, daß ein solcher Leichtsinn, auf öffentlicher Straße ausgestellt, ein schlechtes Beispiel gebe. Hinter dem Ehepaar gab es dann Erstaunen, Heiterkeit, Mitleid. Die arme kleine Frau, so hübsch, so jung, und bald fünf Kinder! Der Mann sah gleichwohl nicht wie ein roher Mensch aus. Und Mathieu und Marianne begriffen recht wohl, fuhren fort, sich anzulächeln, voll tapferer Unbußfertigkeit, zeigten stolz, ohne sich zu schämen, im vollen Lichte des Tages ihre glückliche Fruchtbarkeit, in der ruhigen Ueberzeugung, daß sie die Kraft und die Gesundheit und die Schönheit waren.
Als man unter den mächtigen, winterkahlen Bäumen angelangt war, mußte man Rose für eine Weile auf eine Bank setzen, auf welche glücklicherweise die Sonne noch schien. Diese begann sich indes schon zu neigen, es wurde kalt, man mußte sich ein wenig beeilen, heimzukehren. Aber es war trotzdem sehr angenehm in der kalten Luft, die die Haut des Gesichts stach, unter dem klaren, blaßgelben Himmel, der sich allmählich rosig färbte. Die Knaben stampften kräftiger mit den Füßen, und die Kleine, die lebhaft angeregt war, weinte nicht. Es war drei Uhr, als die Eltern berauscht von der freien Luft, erquickt von dem Spaziergang, ihr kleines Pensionat um die Ecke der Rue de la Fédération steuerten. Auch hier blieben die Leute stehen und sahen ihnen nach, aber gute Leute offenbar, denn sie lachten die schönen Kinder an, nicht ohne heiterverständnisvolle Blicke auf diesen Vater und diese Mutter zu werfen, die so eifrig am Werke waren.
Ein wenig ermattet heimgekehrt, streckte sich Marianne auf eine Chaiselongue im Salon, wo Zoë ein helles Feuer angemacht hatte, wie Mathieu es beim Fortgehen angeordnet hatte. Und die Kinder, für den Augenblick durch die Müdigkeit still gemacht, saßen um einen kleinen Tisch und hörten Denis zu, der ihnen eine Geschichte vorlas, als ein Besuch angekündigt wurde. Es war Constance, die, mit Maurice von einer Spazierfahrt heimkehrend, vorsprach, um sich nach dem Befinden Mariannens zu erkundigen. Die beiden Frauen sahen sich so kaum alle drei oder vier Tage einmal, obgleich nur ein Garten das Häuschen vom Wohnhause der Beauchêne trennte.
»Sind Sie leidend, liebe Freundin?« fragte sie beim Eintreten, als sie sie so halbliegend fand.
»O nein. Ich habe im Gegenteil eben einen zweistündigen Spaziergang gemacht und ruhe mich aus.«
Mathieu hatte der reichen und stolzen Cousine einen Fauteuil hingerollt, die sich übrigens bestrebte, durchaus liebenswürdig gegen sie zu sein. Nachdem sie Platz genommen hatte, entschuldigte sie sich, daß sie nicht häufiger kommen könne, da ihre Hausfrauenpflichten sie so stark in Anspruch nähmen; während Maurice, in schwarzem Samtanzug, sich dicht an sie drängte, ihr nicht von der Seite wich und von weitem auf die vier Kinder starrte, die ihrerseits wieder ihn ansahen.
»Nun, Maurice, sagst du deinen kleinen Cousins nicht guten Tag?«
Er mußte sich nun wohl entschließen, zu ihnen hinzugehen. Aber alle fünf blieben befangen. Sie verkehrten nur wenig miteinander, sie hatten sich noch nicht geprügelt, und die kleinen Wilden von Chantebled waren ein wenig bäuerisch gegen diesen kleinen Pariser von feinen Manieren. »Ihre Kleinen sind alle wohl?« fuhr Constance fort, indem sie mit ihren scharfen Augen ihren
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