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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dieses einen Wesens mehr, dieses ins Leben geworfenen Lebensatoms, ist erhaben und heilig, von unberechenbarer, vielleicht entscheidender Wichtigkeit.
     
     

Zweites Buch

1
    Mathieu erhob sich geräuschlos von seinem kleinen eisernen Klappbette an der Seite des großen Mahagonibettes, in welchem Marianne schlief. Er sah sie an und fand sie mit offenen Augen, lächelnd daliegen.
    »Wie, du schläfst nicht mehr? Und ich habe mich nicht gerührt, aus Furcht, dich zu wecken! Weißt du, daß es nahe an neun Uhr ist?«
    Es war in Paris, an einem Sonntag, um die Mitte des Januar. Marianne befand sich im achten Monate der Schwangerschaft. In Chantebled war in der ersten Dezemberhälfte abscheuliches Wetter eingetreten: eisige Regen, dann Schnee und grimmige Kälte, so daß Mathieu nach einigem Zögern das liebenswürdige Anerbieten der Beauchêne angenommen hatte, die ihm das alte bescheidene Häuschen in der Rue de la Fédération zur Verfügung stellten, welches der Gründer der Fabrik bewohnt hatte, ehe er das prächtige Wohnhaus am Quai erbaute. Vor kurzem war ein alter Werkmeister gestorben, dem das alte Häuschen, welches noch immer das einfache Mobiliar von damals enthielt, eingeräumt gewesen war. Und das junge Ehepaar hatte sich hier nun seit einem Monat eingerichtet, in der Erkenntnis, daß es ratsamer sein würde, die Entbindung in Paris abzuwarten und dann in den ersten schönen Apriltagen nach Chantebled zurückzukehren.
    »Warte,« sagte Mathieu, »ich werde heller machen.«
    Er zog eine Gardine auf, und das halbdunkle Zimmer erhellte sich unter dem Schein der gelben Wintersonne.
    »Ah, die Sonne, die Sonne! Ein herrlicher Tag! Und ein Sonntag! Heute nachmittag werde ich also endlich dich und die Kinder ein wenig spazieren führen können.«
    Sie rief ihn zu sich, nahm seine Hände, als er sich zu ihr an den Bettrand setzte, und sagte heiter:
    »Seit zwanzig Minuten schlafe auch ich nicht, wollte mich nicht bewegen, um dich recht in den Sonntag hineinschlafen zu lassen. Sind wir nicht gut, alle zwei, daß wir mit offenen Augen unbeweglich daliegen, um den andern nicht zu stören?«
    »Oh, ich war so glücklich in dem Gedanken, daß du dich ein wenig ausruhst! Am Sonntag habe ich jetzt nur eine Freude, hier mit dir beisammen zu sein, den ganzen Tag mit dir und den Kindern zu verbringen.«
    Dann rief er, überrascht und selbstvorwurfsvoll:
    »Aber, ich habe dich ja noch gar nicht geküßt!«
    Sie hatte sich ein wenig auf dem Ellbogen aufgerichtet, und er drückte sie mit kräftiger Umarmung an sich. Aber sie ließ einen leichten Schmerzenslaut hören.
    »Oh, mein Schatz, gib acht!«
    Er erschöpfte sich in Ausdrücken zärtlicher Verzweiflung.
    »Ich habe dir weh getan, ich habe dir weh getan! Was für ein Barbar bin ich, dich so rauh anzufassen! Oh, du mein geliebtes Weib, die mir heilig ist, die ich nur mit Liebkosungen berühren möchte, deren Leiden auf mich zu nehmen ich so glücklich wäre! Ich möchte Feenhände haben, deren Berührung du nicht einmal fühlen solltest, die deine Schmerzen in Freuden verwandeln sollten. Und ich tu’ dir weh!«
    Sie mußte ihn trösten. »Aber nein, Närrchen, du hast mir ja gar nicht weh getan. Ich hatte nur Angst. Du siehst ja, ich lache.«
    Er sah sie an, und sie schien ihm von blühender, unvergleichlicher Schönheit. In dem breiten Sonnenstrahl, der das Bett vergoldete, strahlte sie selbst von Gesundheit, Kraft und Hoffnung. Nie hatte ihr schweres braunes Haar so reich ihren Nacken umgeben, nie hatten ihre großen Augen mit mehr Fröhlichkeit und Tapferkeit gelächelt. Und mit ihrem Gesichte von gesunder, fester Regelmäßigkeit, voll Güte und Liebe, war sie die Fruchtbarkeit selbst, die gute Fee mit blühendem, tadellosem Körper, von edler Hoheit umflossen.
    Ein ehrfürchtiges Gefühl überkam ihn, er betete sie an, wie ein Gläubiger, der auf die Schwelle des Mysteriums tritt und seinen Gott gegenwärtig fühlt.
    »Wie schön du bist, wie gut du bist, und wie ich dich liebe, teures Weib!«
    Mit andächtiger Gebärde enthüllte er ihren Leib; er betrachtete ihn, so weiß, so fein, gerundet wie ein heiliger Dom, aus dem eine Welt hervorkommen sollte. Er beugte sich nieder und küßte ihn, ehrfürchtig, all seine Zärtlichkeit, all seinen Glauben, all seine Hoffnung in diesen Kuß legend. Er blieb so eine Weile, wie ein Betender, seinen Mund mit Sanftheit, mit zärtlichster Vorsicht aufdrückend.
    »Tut es dir da weh. Geliebte? Da? Da? Ach, ich wollte, daß ich es

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