Fruchtbarkeit - 1
noch Geburt um eine Sekunde verzögert werden können. Diese Begierde, die ganze Seele des Universums liegt darin, die Kraft, die der Materie Leben einflößt, die aus Atomen einen Geist, eine Macht, eine Souveränität schafft. Und er dachte nicht einmal mehr über die Begierde nach, er war davon ergriffen, weggetragen, als von der unbezwinglichen Macht, welche das Leben befördert und es unsterblich macht. Es genügte, daß der leichte Atem Mariannens ihm den Hals streifte, damit eine Flamme sich allmählich in seinen Adern entfache. Sie lag jedoch noch immer erstarrt, mit geschlossenen Augen, ohne schlafen zu können. Aber trotzdem strömte die triumphierende Begierde aus ihr auf ihn über, aus dem weichen Atlas ihrer Arme und ihrer Brust, dem Dufte ihrer feinen Haut und ihrer schweren Haare. Die Mutterschaft hatte ihr, weit entfernt zerstörend zu wirken, eine blühende Fülle der Formen verliehen, eine gesunde Festigkeit der Glieder, jene reife Schönheit der Mutter, gegen welche die zögernde, unausgesprochene Schönheit der Jungfrau reizlos wird.
Mit einer leidenschaftlichen Umarmung zog Mathieu Marianne wieder an sich.
»Mein süßes Weib, ich war irre an uns geworden. Keiner von uns beiden wird schlafen können, ehe du mir nicht verziehen hast.«
Sie lachte leise, schon getröstet, überließ sich dieser Zärtlichkeit, deren siegreiche Glut sie aufsteigen gefühlt hatte.
»Oh, ich, ich war nicht irre geworden; ich war sicher, daß du mich wieder nehmen wirst.«
Und sie folgten mit einem langen Liebeskusse der Einladung der lieberfüllten, der fruchtbaren Frühlingsnacht, die durch das Fenster hereinströmte mit ihren flimmernden Sternen, mit ihren Wässern, ihren Wäldern, ihren keimenden Feldern. Aller Saft der Erde stieg empor, zeugte Leben im Dunkel der Nacht, strömte lebenstrunkenen Duft aus. Es war das Rieseln der Keime, die unaufhörlich durch die Adern der Welt rinnen. Es war der Begattungsschauer von Milliarden Lebewesen, der allumfassende Paroxysmus der Befruchtung, die notwendige, unausgesetzte Empfängnis des Lebens, das Leben gibt. Und so wollte die ganze Natur wieder einmal, daß noch ein Wesen empfangen werde.
Aber Marianne hatte Mathieu mit einer Bewegung zurückgehalten und sich erhoben, um wieder nach dem Zimmer der Kinder zu horchen.
»Hör einmal!«
Beide horchten vorgebeugt mit angehaltenem Atem.
»Glaubst du, daß sie erwacht sind?«
»Ja, ich glaube etwas gehört zu haben.«
Als jedoch nichts sich rührte, nichts aus dem Nebenzimmer herüberkam als der tiefe Frieden der Unschuld, lachte sie wieder leise und spottete leicht:
»Unsre vier armen unglücklichen Kleinen! Es macht also nichts, du willst das fünfte, noch ein armes unglückliches Kleines?«
Er schloß ihr den Mund mit einem heißen Kusse.
»Still, ich bin ein Tor gewesen. Mögen sie uns mit Geringschätzung und Mitleid ansehen. Du bist es, die recht hat, wir sind die Klugen und die Tapferen.«
Und sie begingen die schöne, die göttliche Unklugheit. In ihrer gegenseitigen Hingabe verblaßten alle niedrigen Berechnungen, es blieb nichts als die siegreiche Liebe, die auf das Leben vertraut, das sie gibt. Wenn sie, eins im Arm des andern, sich Zwang auferlegt hätten, so hätten sie geglaubt, sich nicht mit ganzer Seele zu lieben, etwas von sich zurückzubehalten, sich gegenseitig etwas wegzunehmen. Das lebende Band hätte sich gelockert, er hätte geglaubt, sie als Fremde zu behandeln, so wie sie geglaubt hätte, nicht mehr seine Frau zu sein. Sie aber gaben sich einander ganz, ohne Rückhalt der Seele oder des Körpers, und es war dem Leben überlassen, sein Werk zu tun, wenn es ihm gutdünkte.
Ah, welch köstlicher Genuß, welch himmlische Trunkenheit in dieser vollkommenen, dieser uneingeschränkten Liebe, die zugleich auch die Gesundheit und die Schönheit ist! Es war die Betätigung ihres Glaubens an das Leben, ein Hohelied der Fruchtbarkeit, der segensreichen, unerschöpflichen Welterschafferin. Das Samenkorn ist nun in die Erde gesenkt, in einem Aufschrei trunkenen Glückes: möge es denn keimen und wieder Leben schaffen, Menschheit, Geist und Macht! Die ganze lieberfüllte Mainacht erbebte vor Freude, die Sterne und die Erde teilten die Wonneschauer der Gattin. Ueber dem rasch vorüberstürmenden Genusse bleibt eine ewige, menschliche Freude, die große Tatsache der Empfängnis – ein Wesen mehr, nicht vermehrtes Elend, sondern vermehrte Kraft, vermehrte Wahrheit und Gerechtigkeit.
Und die Empfängnis
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