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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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schmerzhaften und erhabenen Mutter, in den Leiden, die sie erduldet, um der ewigen Blüte des Lebens willen.
     
     

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    An dem Donnerstag, wo die Froment bei den Séguin du Hordel in dem luxuriösen Palais in der Avenue d’Antin zu Mittag essen sollten, klingelte Valentine ihrer Zofe Céleste gegen zehn Uhr, um sich ankleiden zu lassen und sich sodann auf der Chaiselongue ihres kleinen Salons im ersten Stock auszustrecken. Sie hatte Marianne gebeten, zeitig zu kommen, um mit ihr plaudern zu können, sie empfand das unwiderstehliche Bedürfnis, mit einer Frau, die sich in der gleichen Lage befand, von den fürchterlichen Schrecken zu sprechen, mit denen ihre krankhafte Phantasie sich fortwährend beschäftigte.
    Sie ließ sich einen Spiegel geben, betrachtete sich und schüttelte trübselig den Kopf, so sehr fand sie sich verunstaltet; ihr hübsches Blondinengesichtchen zeigte rote Flecken, ihr schlanker Körper war formlos geworden, die pfaublaue Seidenbluse, die sie trug, konnte seine Mißgestalt nicht verbergen.
    »Ist der Herr zu Hause?« fragte sie.
    Seit zwei Tagen hatte sie ihn nicht gesehen. Er schützte Geschäfte vor, nahm seine Mahlzeiten häufig außer Hause und vermied es, des Morgens in ihr Zimmer zu kommen, unter dem Vorwand, sie nicht stören zu wollen.
    »Nein, Madame, der Herr ist gegen neun Uhr fortgegangen, und ich weiß bestimmt, daß er noch nicht zurückgekehrt ist.«
    »Es ist gut. Sowie Monsieur und Madame Froment kommen, sollen sie hierher geführt werden.«
    Sie ließ den Kopf matt zurücksinken und nahm ein Buch, um zu lesen.
    Wie Doktor Boutan Mathieu und Marianne zu verstehen gegeben hatte, war diese unerwartete Schwangerschaft Valentinens die Ursache fortwährender Stürme im Hause der Séguin. Zuerst hatte Séguin sich in einem brutalen Wutausbruch ergangen und geschrien, daß dieses Kind nicht von ihm sein könne; er beschuldigte seine Frau geradezu, einen Geliebten zu haben; und die Eifersucht eines Kutschers, wütend und ordinär, die sich in gemeinen Worten, in drohenden Handbewegungen erging, kam bei diesem Skeptiker zum Vorschein, der die elegante Sorglosigkeit des verfeinertsten Pessimismus zur Schau trug. Es kam zu entsetzlichen Szenen. Dann hatte die verzweifelte Frau verlangt, daß Doktor Boutan als Schiedsrichter angerufen werde. Aber dieser mochte, nachdem er den Gatten beiseite ausgefragt hatte, ihm noch so eindringlich erklären, daß alle seine Vorsichtsmaßregeln recht wohl hatten ungenügend sein können, ihm zwanzig Fälle zitieren, die unter den gleichen Bedingungen zur Schwangerschaft geführt hatten – er ließ gleichwohl nicht von seinem Verdacht, schien nur einen Augenblick wankend gemacht, um seine abscheulichen Anklagen wieder aufzunehmen, sobald der Arzt sich entfernt hatte. Er wütete auch gegen diesen, ja ging so weit, ihn ihren Komplizen zu nennen. Er war besonders erbittert über die strenge Lektion, die ihm das Schicksal in bezug auf die Unterschlagungen erteilte; denn eben diese verwerflichen Praktiken waren die Quelle des ganzen Uebels, der qualvollen Situation, unter der das Ehepaar sich wand: hätte der Mann nicht unterschlagen, so säße ihm nicht, vielleicht für immer, der entsetzliche Zweifel im Herzen, daß sein Kind vielleicht nicht von ihm sei. Natürlich hatte der wackere Doktor, der in der Unterschlagung die Wurzel alles Unglücks sah, nicht verfehlt, ihm alle Konsequenzen vorzurechnen: die Entvölkerung, die Entartung der Gattung, die Befleckung und Zerstörung der Familie, das blinde Jagen des Mannes nach Geld und Vergnügen, die verderbte, zerrüttete, dem Ehebruch zutreibende Frau. Und Séguin bewahrte davon eine fortwährende, um so heftigere Gereiztheit, als derlei Ideen alles verdammten, was er bis nun geglaubt und gewollt hatte.
    Indessen setzte das Ehepaar sein Leben der Vergnügungen fort; sie ließ sich ihren Zustand nicht anmerken, schnürte sich zum Ersticken, tanzte auf Bällen, trank Champagner bei feinen Soupers nach dem Theater; er verbarg seine Anfälle von Scham und Eifersucht, führte mit scheinbarer ironischer Unbekümmertheit sein gewohntes Leben weiter. Sie, die sich noch keinen Vorwurf zu machen hatte, wollte übrigens ihren Gatten behalten, mehr aus Stolz als aus Liebe; denn, wie sie manchmal zu ihm sagte, er tat alles, was er konnte, um sie dazu zu bringen, sich wirklich den Geliebten zu nehmen, den er ihr so brutal vorwarf; und wenn sie sich in der Einschnürung ihres Mieders quälte, wenn sie jeden Abend sich der

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