Fruchtbarkeit - 1
Sohn mit den andern verglich. »Ihr Ambroise ist gewachsen, und die beiden Aeltesten sind auch sehr stark.«
Zweifellos fiel ihre Prüfung nicht zugunsten Maurices aus, der, obgleich groß und stark aussehend, eine wachsbleiche Gesichtsfarbe hatte, denn sie lachte etwas gezwungen und fügte hinzu: »Aber um ihre kleine Rose beneide ich Sie. Ein kleiner Engel!«
Mathieu lachte und sagte mit einer Lebhaftigkeit, die er sofort bereute: »Oh, das ist ein Neid, der bald gestillt werden kann. Man bekommt diese Engel auf dem Markte, und nicht teuer.«
»Nicht teuer, nicht teuer,« gab sie ernst zurück, »das ist Ihre Ansicht, Sie wissen, daß es nicht die meinige ist. Ein jeder formt sein Glück oder sein Unglück nach seiner Art.«
Und ihr ironischer Blick voll Tadel und selbst Geringschätzung ergänzte ihre Worte. Sie ließ ihn über die vier Kinder hinschweifen, über diese Fülle rosigen, wuchernden Lebens, über diese schon wieder schwangere Frau, über diesen aufgeschwollenen Leib, dem abermals Leben entspringen sollte. Sie war davon verletzt, abgestoßen, geärgert, wie von einer Unanständigkeit, wie von einem Vergehen gegen alles, was sie hochhielt, das Ebenmaß, die Klugheit, die Ordnung. Als sie von dieser neuen Schwangerschaft hörte, hatte sie ihre Mißbilligung nicht verhehlt; sie entschloß sich wohl, fortan nichts mehr zu sagen, aber sie wollte auch nicht, daß man sie angreife, daß man sie mit ihrer gewollten Unfruchtbarkeit necke. Wenn sie keine Tochter hatte, so war es, weil sie keine haben wollte.
Um einer unangenehmen Wendung des Gespräches vorzubeugen, beeilte sich Marianne, die über das drollige Wort ihres Mannes lächeln mußte, ein andres Thema anzuschlagen, indem sie nach Beauchêne fragte. »Warum haben Sie Alexandre nicht mitgebracht? Es ist nun acht Tage, seitdem er zuletzt bei mir war.«
»Aber,« fiel Mathieu rasch ein, »ich habe dir ja gesagt, daß er gestern abend auf die Jagd gegangen ist. Er hat wahrscheinlich auf der andern Seite von Chantebled, in Puymoreau, übernachtet, um gleich beim Morgengrauen auf die Pirsche zu gehen, und er wird wohl nicht vor morgen zurückkehren.« »Ah, richtig, ich erinnere mich. Ein schöner Tag, um zu pirschen.«
Dies war wiederum ein gefährlicher Gesprächsgegenstand, und Marianne bereute es bereits, daß sie ihn aufgeworfen hatte, denn man wußte nie genau, wo Beauchêne sein mochte, wenn er angeblich auf der Jagd war. Der Vorwand einer morgendlichen Pirsche war sehr bequem, wenn er die Nacht auswärts verbringen wollte, und er hatte ihn nun schon so oft gebraucht, daß Constance sicherlich wissen mußte, was es damit für eine Bewandnis hatte. Aber vor diesem so innig zusammenhaltenden Ehepaar, vor dieser Frau, deren Gatte nicht mehr ausging, seitdem sie schwanger war, und sie immerfort mit seiner zarten Sorgfalt umgab, wollte sie tapfer sein, sich ganz ruhig stellen.
»Ich bin es, die ihn drängt, hinauszugehen, sich auszugeben. Er ist sehr vollblütig und bedarf viel frischer Luft, die Jagd ist sehr gut für ihn.«
In diesem Augenblicke ertönte abermals die Klingel und kündigte einen neuen Besuch an. Es war Valérie, die mit ihrer Tochter Reine eintrat. Sie errötete, als sie Madame Beauchêne sah, so tiefen Eindruck machte diese reiche Frau auf sie, die ihr als Muster vorschwebte, welches sie nachzuahmen sich bemühte. Aber Constance benutzte die Unterbrechung, die durch die Neuangekommenen verursacht wurde, um sich zu erheben und zu sagen, sie könne leider nicht länger bleiben. Eine Freundin erwarte sie wahrscheinlich zu Hause.
»Lassen Sie uns wenigstens Maurice hier,« bat Mathieu. »Reine ist nun auch da, sie werden alle sechs miteinander spielen, und ich bringe ihn Ihnen zurück, nachdem er bei uns gevespert hat.«
Maurice hatte sich wieder an seine Mutter gedrängt, und diese sagte: »O nein, o nein! Sie wissen, daß er eine Kur durchmacht, und ich lasse ihn nie außer dem Hause essen. Guten Tag, ich gehe nun. Ich wollte nur hören, wie es Ihnen geht. Auf Wiedersehen!«
Sie ging mit dem Knaben fort, nachdem sie Valérie mit einem vertraulichen und herablassenden Händedruck bedacht hatte, ohne eine Wort mit ihr zu wechseln, was diese außerordentlich vornehm fand. Reine hatte Maurice zugelächelt, den sie ein wenig kannte. Sie sah heute allerliebst aus, in einem blauen Tuchkleide, mit lachendem Gesicht unter ihren dicken schwarzen Haaren, und sah ihrer Mutter so ähnlich, daß sie wie ihre jüngere Schwester
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