Fruchtbarkeit - 1
Gefahr einer Fehlgeburt aussetzte, so war es, weil sie verzweifelt kämpfte, als Frau, die wußte, daß sie verlassen werden würde, im Augenblicke, da sie nicht mehr die Strahlende und Genußspendende war. Aber eines Nachts, nach der Rückkehr von einer Premiere, kam sie dem Tode nahe, und sie mußte von da ab das Zimmer hüten: es war ein völliger Zusammenbruch, es entwickelte sich eine qualvolle Schwangerschaft, die ihr nicht eine schmerzfreie Stunde mehr ließ. Von da ab wurde das Verhältnis der Gatten zueinander vollends verbittert, alles, was sie vorausgeahnt und gefürchtet hatte, erfüllte sich. Er war fortwährend in abscheulichster Laune, konnte nicht in ihrer Nähe bleiben, ohne mit ihr zu zanken. Diese kranke, verunstaltete Frau, die ihm keinen Genuß bieten konnte, war ihm unerträglich, stieß ihn ab. Er ging immer häufiger aus und nahm allmählich seine Junggesellengewohnheiten wieder an. Die Spielleidenschaft, die in ihm glimmte, flammte mit der Heftigkeit eines schlecht verlöschten Feuers wieder auf. Er schlief auswärts, verbrachte ganze Nächte im Klub. Dann wandte er sich den Weibern wieder zu, den Mädchen, die nicht die Dummheit begingen, schwanger zu werden, die schön, unterhaltend, begehrenswert blieben. Wenn man zu Hause keine erträgliche Frau mehr hat, so muß man sich eben andre an andern Orten suchen. Und wenn er nach Hause kam, verfiel er wieder in seine Eifersuchtsanfälle, fühlte sich versucht, sie zu töten, diese elende kranke Frau, deren entstellter Leib ihm ein Spott und eine Beleidigung schien.
Gegen ein viertel zwölf Uhr erschien Céleste wieder. »Mein Mann?« fragte Valentine lebhaft, ihr Buch sinken lassend.
»Nein, Madame, es sind die Herrschaften, die Sie erwarten, Monsieur und Madame Froment.« »Lassen Sie sie eintreten. Sobald der Herr nach Hause kommt, benachrichtigen Sie mich.«
Als Marianne und Mathieu eintraten, richtete sie sich auf und sagte, ihnen beide Hände entgegenstreckend, in liebenswürdigem Tone: »Sie verzeihen, nicht wahr, Madame, daß ich darauf bestanden habe, daß Sie sich die Mühe nehmen, zu mir zu kommen; aber, wie Sie sehen, ist es mir nicht möglich, zu Ihnen zu kommen, und unser guter Doktor Boutan sagte mir, wie kräftig und tapfer Sie sind. Wie liebenswürdig von Ihnen, daß Sie meine Einladung angenommen haben! Ich empfand ein so lebhaftes Verlangen, Sie zu sehen, ein wenig mit Ihnen zu plaudern! Bitte, setzen Sie sich in diesen Fauteuil, da ganz nahe zu mir.«
Mathieu betrachtete sie, erstaunt, sie so gelb und herabgekommen zu finden, die er zuletzt so entzückend in ihrer blonden Schönheit gesehen hatte; während sie selbst ängstlich Marianne ansah, frappiert von ihrem ruhigen und kräftigen Aussehen, von dem lächelnden Glanze, den ihre großen Augen bewahrt hatten.
»Ich bin es, die Ihnen für Ihre Einladung dankt,« erwiderte diese entgegenkommend. »Die Bewegung tut mir sehr gut, ich habe zu meinem Vergnügen sogar zu Fuß kommen können. Oh, wenn Sie wollten, so würden Sie herumgehen können wie ich, man muß nur Mut haben.«
Es entwickelte sich nun ein intimes Gespräch zwischen den beiden Frauen, während Mathieu das Buch öffnete, das aus einem kleinen Tischchen lag, und tat, als ob er gar nicht auf das hörte, was sie sagten, um sie von jedem Zwang zu befreien. Die beiden hatten sich bisher nur selten gesehen und besaßen nichts Gemeinsames, weder in ihren Gedanken noch in ihren Gewohnheiten; aber die Ähnlichkeit ihres augenblicklichen Zustandes brachte sie einander nahe. Und besonders Valentine empfand ein gieriges Verlangen, zu wissen, sich unterrichten, sich beruhigen zu lassen. Sie sprach zuerst von Doktor Boutan, wollte wieder hören, daß er nie eine seiner Patientinnen verliere, daß es keinen Geburtshelfer gebe, der eine sanftere und geschicktere Hand habe. Marianne erwiderte, etwas erstaunt, daß sie ihn ja kennen müsse, da sie sich ja schon zweimal unter seinen Händen befunden habe. Ja, das sei richtig, aber es beruhige sie, seine Verdienste von einer andern bestätigen zu hören. Und sie erging sich in Fragen ohne Ende, kam immer wieder auf jede Einzelheit zurück, wollte, daß Marianne ihr erkläre, was sie fühle, wo die Schmerzen seien, welcher Art sie seien, was sie esse, wie sie schlafe, kurz alle ihre Empfindungen und Gedanken, alle Umstände ihrer glücklichen Schwangerschaft. Und als Marianne, kraftvoll und lächelnd, sich gutherzig zur Befriedigung dieser Neugierde hergab, um sie zu zerstreuen
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