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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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und aufzurichten, ihr ruhig von ihren Hoffnungen sprach, daß alles gut ablaufen, daß es wieder ein Knabe sein werde, brach Valentine plötzlich in heftiges Schluchzen aus.
    »Oh, ich werde daran sterben, ich werde sterben, ich weiß es gewiß!«
    Diese Gewißheit ihres baldigen Todes verfolgte sie, ohne daß sie es wagte, sie gegen alle auszusprechen. In der Zerrüttung ihrer Nerven, in der Einsamkeit, in der ihr Gatte sie ließ, bereitete dieser Gedanke ihr unaufhörliche Folterqualen, sie sah stets den schwarzen Abgrund vor sich, in welchen dieses unselige Kind, nachdem es ihre Ehe zerstört, sie stürzen würde.
    »Was fällt Ihnen ein!« rief Marianne heiter. »Wer wird denn daran sterben! Wissen Sie, was man sagt? Daß die Frauen, die sich mit solchen Gedanken quälen, dann die schönste Niederkunft haben, die es geben kann.«
    Mathieu, der über diese fromme Lüge lächeln mußte, bestätigte sie vollständig, was die arme Verzweifelte ein wenig aufrichtete, die vor jedem Luftzug ängstlich zitterte, nach sanften Worten gierig lechzte, stets die feste, bedingungslose, wenn auch täuschende Versicherung haben wollte, daß alles gut ausgehen werde. Sie blieb gleichwohl traurig, als Céleste wieder eintrat, und ohne zu warten, auf die stumme Frage in den Augen ihrer Herrin antwortete: »Nein, Madame, es ist noch immer nicht der Herr. Es ist die Frau aus meiner Heimat, von der ich Ihnen gesagt habe, Sophie Couteau, die Couteau, wie man sie dort in Rougemont nennt, die sich damit befaßt, Ammen nach Paris zu bringen.«
    Bei diesen Worten beruhigte sich Valentine, die bereits im Begriffe gewesen war, die Zofe, empört über die Störung, mit harten Worten hinauszusenden. »Nun, und?« »Nun, Madame, sie ist da. Wie ich bereits sagte, wenn Sie sich entschließen würden, ihr schon jetzt den Auftrag zu geben, so könnte sie Ihnen eine sehr gute aussuchen und sie Ihnen dann rechtzeitig hereinsenden.«
    Die Couteau, die hinter der halboffen gebliebenen Tür gewartet hatte, nahm sich die Freiheit, einzutreten, ohne abzuwarten, daß man sie dazu auffordere. Sie war eine kleine, magere, klug aussehende Frau von bäuerischem Ansehen, aber durch ihre häufigen Reisen nach Paris schon sehr abgeschliffen. Ihr längliches Gesicht, ihre aufgeweckten Augen, ihre spitze Nase waren nicht unangenehm, von einer Art liebenswürdiger Gutmütigkeit, die aber durch den Mund beeinträchtigt wurde, dessen dünne Lippen Schlauheit und Geldgier verrieten. Und ein dunkelwollenes Kleid, ein schwarzer Mantelkragen, schwarze Halbhandschuhe, eine schwarze Haube mit gelben Bändern gaben ihr das ehrbare Aussehen einer Bäuerin im Sonntagsstaat, die zur Kirche geht.
    »Sie sind Amme gewesen?« fragte Valentine, sie prüfend betrachtend. »Ja, Madame; oh, es sind schon zehn Jahre her, als ich zwanzig war. Dann habe ich mich verheiratet und habe gefunden, daß man als Amme nicht reich werden kann. So befasse ich mich lieber damit, die andern unterzubringen.«
    Sie zeigte ein schwaches kluges Lächeln, welches andeutete, wie sehr dieses Verdingen als Milchkuh an die Stadtleute ihr eine Narretei scheine. Aber sie fürchtete, bereits zu viel gesagt zu haben.
    »Man tut, was man kann, um den Leuten gut zu dienen, die einen bezahlen, nicht wahr, Madame? Der Arzt hatte mir gesagt, daß ich nie mehr gute Milch haben werde; und anstatt die armen Kleinen schlecht zu nähren, ziehe ich es vor, ihnen in andrer Weise nützlich zu sein.« »Sie führen also den Pariser Bureaus Ammen zu?« »Jawohl, Madame, zweimal im Monat an verschiedene Bureaus, aber besonders der Firma Broquette in der Rue Roquépine. Das ist ein sehr ehrenhaftes Haus, wo man nicht Gefahr läuft, betrogen zu werden. Also, wenn es Ihnen gefällig ist, Madame, so werde ich Ihnen die beste unter denen aussuchen, die mir zur Verfügung stehen werden, sozusagen den Rahm von der Milch. Ich verstehe mich darauf, Sie können sich auf mich verlassen.«
    Da Céleste sah, daß ihre Herrin sich nicht entschließen konnte, glaubte sie eingreifen zu müssen, um zu erklären, wieso die Couteau an diesem Morgen gekommen war.
    »Wenn sie in die Heimat zurückkehrt, nimmt sie fast immer einen Säugling mit, das Kind einer Amme, oder das Kind eines Ehepaares, welches nicht reich genug ist, um sich hier eine Amme halten zu können, und übergibt es dort einer Pflegemutter. Darum ist sie heute zu mir zu Besuch gekommen, ehe sie das Kleine der Madame Menoux abholt, die heute nacht entbunden worden ist.« Valentine

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