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Frühe Erzählungen 1893-1912

Frühe Erzählungen 1893-1912

Titel: Frühe Erzählungen 1893-1912 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sich hineinlachen, wenn er bedachte, daß selbst sein gelehrter Papa unmöglich diese Hieroglyphen würde entziffern können, die doch nichts weiter bedeuteten als etwa: Ich bin
maß-los
glücklich! –
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    So ging, bis Mitte Juli, in diesem lieben, dummen, süßen, sprudelnden Glück die Zeit dahin, und die Geschichte würde langweilig, wenn nicht dann einmal ein lustiger, amüsanter Morgen gekommen wäre.
    Der Morgen war in der That wunderhübsch. Es war noch ziemlich früh, etwa neun Uhr. Die Sonne streichelte nur behaglich die Haut. Auch roch die Luft wieder so gut, – gerade so, fiel ihm auf, wie damals an jenem Morgen nach der ersten wundersamen Nacht.
    Er war sehr vergnügt und hieb munter mit seinem Stock auf das schneeweiße Trottoir ein. Er wollte zu ihr.
    Sie erwartete ihn garnicht, das war gerade so lieb. Er hatte vorgehabt, diesen Morgen ins Kolleg zu gehen, aber daraus war natürlich nichts geworden – heute. Das fehlte auch noch! Bei diesem Wetter im Hörsaal sitzen! Wenn es regnete – allenfalls. Aber unter diesen Umständen, unter diesem Himmel mit seinem hellen, weichen Lachen … zu ihr! zu ihr! Sein Entschluß {41} hatte ihn in die rosigste Laune versetzt. Er pfiff die kräftigen Rhythmen des Trinkliedes aus der »Cavalleria rusticana« vor sich hin, während er die Heustraße hinunterging.
    Vor ihrem Hause blieb er stehen und schlürfte eine Weile den Fliederduft. Mit dem Strauch hatte er allmählich eine innige Freundschaft geschlossen. Immer, wenn er kam, machte er vor ihm Halt und hielt ein kleines, stummes, überaus gemütvolles Zwiegespräch mit ihm. Dann erzählte ihm der Flieder in leisen, zarten Verheißungen von all dem Süßen, das ihn wieder einmal erwartete, und er betrachtete ihn, wie man gern angesichts eines großen Glückes oder Schmerzes, an dessen Mitteilung an irgend einen Menschen man verzweifelt, sich mit seinem Übermaß von Empfindungen an die große, stille Natur wendet, die wirklich manchmal dreinschaut, als verstände sie etwas davon, – er betrachtete ihn längst als etwas durchaus zur Sache Gehöriges, Mitfühlendes, Vertrautes, und sah in ihm kraft seiner permanenten lyrischen Entrücktheit weit mehr als eine bloße scenische Beigabe in seinem Roman. –
    Als er sich von dem lieben, weichen Duft genug hatte erzählen und verheißen lassen, ging er hinauf, und nachdem er seinen Stock auf dem Korridor abgestellt hatte, trat er ohne zu klopfen, beide Hände in übermütiger Fröhlichkeit in den Hosentaschen seines hellen Sommeranzuges, und den runden Hut zurückgeschoben auf dem Kopf, weil er wußte, daß sie ihn damit am liebsten leiden mochte, ins Wohnzimmer.
    »Morgen, Irma!! na, Du bist wohl …« – »überrascht« wollte er sagen, aber er war selbst überrascht. Bei seinem Eintritt sah er, daß sie sich mit einem Ruck vom Tische erhob, als wolle sie eilig etwas holen, wüßte aber nicht recht was. Sie fuhr nur ratlos mit einer Serviette über den Mund, indem sie dastand und ihn merkwürdig groß ansah. Auf dem Tisch stand Kaffee und Gebäck. An der einen Seite saß ein alter, würdiger Herr mit {42} schneeweißem Zwickelbart und durchaus gentil gekleidet, welcher kaute und ihn sehr erstaunt ansah.
    Er nahm schnell seinen Hut ab und drehte ihn verlegen in den Händen.
    »O pardon«, sagte er, »ich wußte nicht, daß Du Besuch hast.«
    Bei dem »Du« hörte der alte Herr auf zu kauen und sah nunmehr dem jungen Mädchen ins Gesicht.
    Der gute Junge erschrak ordentlich, wie sie bleich war und noch immer so dastand. Aber der alte Herr sah ja noch viel schlimmer aus! wie eine Leiche! und die Haare, die er hatte, schien er sich auch nicht gekämmt zu haben. Wer das nur sein mochte?! Er zerbrach sich hastig den Kopf darüber. Ein Verwandter von ihr? Aber sie hatte ihm ja garnichts gesagt –? Na, jedenfalls kam er ungelegen. Wie jammerschade! Er hatte sich so gefreut! Nun konnte er nur wieder gehen! Es war abscheulich! – Daß auch niemand was sagte! – Und wie sollte er sich gegen sie benehmen?
    »Wieso«, sagte plötzlich der alte Herr und sah sich mit seinen kleinen, tiefliegenden, blanken, grauen Augen um, als erwartete er auch noch eine Antwort auf diese rätselhafte Frage. Er war ja wohl etwas wirr im Kopf. Das Gesicht, das er machte, war dumm genug. Die Unterlippe

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